Krankengeld

Mainzer Sozialrichter kritisieren Bundessozialgericht harsch

In puncto Krankengeld sollte mit dem Versorgungsstärkungsgesetz eigentlich alles geregelt sein. Ein Sozialgericht wendet sich nun aber gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Knackpunkt sind Fristen für die AU-Bescheinigung.

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MAINZ. Trotz des Inkrafttretens des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes im Juli 2015 könnte die sogenannte Krankengeldfalle fortbestehen. Darauf macht das Sozialgericht (SG) Mainz in einem kürzlich veröffentlichten Urteil aufmerksam. Insbesondere im Krankengeldbezug arbeitslos gewordene Patienten sollten Ärzte daher rechtzeitig wieder einbestellen.

Das SG Mainz wendet sich allerdings mit harschen Worten gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach der Anspruch auf Krankengeld bei einer Bescheinigungslücke trotz andauernder Krankheit weiterhin verloren gehen kann.

Für den Anspruch auf Lohnfortzahlung des Arbeitgebers reicht es hier seit jeher aus, wenn Arbeitnehmer am ersten Werktag nach Auslaufen ihrer vorausgehenden Krankmeldung wieder den Arzt aufsuchen.

Wenn Versicherte nach Ende der sechswöchigen Lohnfortzahlung zum Krankengeld wechseln, mussten sie früher umdenken und laut BSG-Rechtsprechung schon am letzten Tag einer Bescheinigung erneut zum Arzt gehen, um sich einen durchgehenden Krankengeldanspruch zu sichern.

Damoklesschwert Arbeitslosigkeit

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde dies mit Wirkung ab 23. Juli 2015 geändert. Nunmehr gilt auch der ärztliche Auszahlschein für das Krankengeld vom Tag der Bescheinigung an, und ein Arztbesuch am nachfolgenden Werktag reicht aus. Dennoch kann es weiterhin Lücken in den Bescheinigungen geben.

Im Normalfall eines Arbeitnehmers führt dies lediglich zu einer Unterbrechung der Krankengeldzahlung. Mit einer neuen Bescheinigung wegen derselben Krankheit lebt der Anspruch aber wieder auf.

Gravierende Folgen dagegen hat laut BSG eine Lücke dagegen, wenn Arbeitnehmer während des Krankengeldbezugs ihren Arbeitsplatz verloren haben. Denn nach der Kasseler Rechtsprechung läuft das "nachwirkende" Versicherungsverhältnis durch eine Bescheinigungslücke aus. Dadurch geht dann auch der Anspruch auf weiteres Krankengeld verloren.

Das SG Mainz hält diese Rechtsprechung nach altem wie auch nach neuem Recht für "abwegig". In seinem 30-seitigen Urteilsgründen wirft es dem BSG eine "gesetzeswidrige Normkonkretisierung" vor. Im Kern argumentieren die Mainzer Richter, laut Gesetz lege die erste Bescheinigung lediglich den Beginn des Krankengeldbezugs fest.

Anschließend bestehe der Anspruch aber fort, solange dieselbe Krankheit andauert. Dies aber sei allein eine Frage der medizinischen Tatsachen, nicht aber der Bescheinigungen.

Entsprechend seien auch die Formulare geändert worden. Anderes gelte daher nur, wenn ein Arzt auf diesen Formularen ausdrücklich ankreuzt, dass es sich um eine letzte Bescheinigung zum Ende der Arbeitsunfähigkeit handeln soll.

Richter sehen Kontinuität gewahrt

Bei einer Lücke zwischen zwei Bescheinigungen komme es daher nur zu einem Ruhen der Leistungen. Das "nachwirkende" Versicherungsverhältnis bestehe aber fort, wenn der Arzt - trotz Lücke - Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit bescheinigt. Entgegen der Rechtsprechung des BSG lebe daher der Krankengeldanspruch mit der neuen Bescheinigung auch dann wieder auf, wenn zwischenzeitlich das Arbeitsverhältnis beendet wurde. (mwo)

Sozialgericht Mainz Az.: S 3 KR 405/13

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