Urteil

"Darf einem Arzt nicht unterlaufen"

Wegen Verstoßes gegen ärztliche Behandlungsregeln muss ein Dermatologe 100.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Veröffentlicht:

KÖLN. Bei dermatologischen Auffälligkeiten muss ein Hautarzt einen bösartigen Befund differentialdiagnostisch ausschließen. Sorgt er nicht für ausreichende histologische Befundung und bestellt den Patienten nicht wieder ein, ist das ein grober Behandlungsfehler.

Die durch das zu spät erkannte Melanom bis zum Tod führende Verschlechterung des Gesundheitszustandes rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro. Das hat das Oberlandesgericht Hamm in einem nicht rechtskräftigen Urteil entschieden ( Az.: 26 U 63/15).

Eine 55-jährige Frau war wegen der Verfärbung eines Zehennagels in eine dermatologische Gemeinschaftspraxis gegangen. Sie berichtete von einer Stoßverletzung. Der Hautarzt vermutete ein Nagelhämatom und forderte eine Nagelprobe zur histologischen Untersuchung an.

Die ergab eine bakterielle Infektion. Darüber wurde die Frau telefonisch informiert, eine weitere Behandlung unterblieb.

Zweitmeinung eingeholt

Weil die Verfärbung im folgenden Jahr nicht wegging, suchte die Frau einen zweiten Hautarzt auf. Der diagnostizierte Krebs. In der Folge entwickelten sich Metastasen in Lunge und Lymphknoten. Die Frau starb mehr als vier Jahre nach dem Besuch der Gemeinschaftspraxis.

Der beklagte Hautarzt hätte die Nagelprobe selbst entnehmen müssen, so das OLG. "Nur dieser konnte aufgrund seiner hautärztlichen Kenntnisse das für die Probe relevante Gebiet sicher bestimmen."

Und er hätte die Patientin wieder einbestellen müssen, da er sich nicht darauf verlassen konnte, dass ihr die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung bekannt war.

Richter urteilen: Fehlverhalten

Die Richter gingen von einem Fehlverhalten aus, "bei dem eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln verstoßen worden ist, und das aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil es einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf". (iss)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Junges Forum auf dem DGIM-Kongress

Appell für eine bessere Fehlerkultur

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Nach Koronararterien-Bypass-Operation

Studie: Weniger postoperatives Delir durch kognitives Training

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen