Junge Ärzte

"Die Ochsentour hat ausgedient"

Der Chef hat immer Recht und der Arbeitstag mindestens zwölf Stunden: Junge Assistenzärzte kommen mit einem anderen Wertebild in den Job. Langsam stellen sich die Kliniken darauf ein.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Junge Ärzte wollen mehr als nur Schuften - es kommt auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Aufstiegschancen, sagen Experten.

Junge Ärzte wollen mehr als nur Schuften - es kommt auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Aufstiegschancen, sagen Experten.

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HEIDELBERG. Die junge Generation tickt einfach anders - auch Praxis- und Klinikchefs bekommen dies zunehmend zu spüren, wenn sie Jobs neu besetzen wollen.

Nur noch für den Job zu leben, erscheint jungen Assistenzärzten heute wenig attraktiv. Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist das erklärte Ziel.

"Die Ochsentour hat ausgedient", bestätigte Professor Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) aus Ludwigshafen beim 3. Expertengespräch an der Uniklinik Heidelberg.

Die nach 1985 Geborenen seien rational, selbstbewusst und wüssten ihre Chancen zu nutzen. Möglich mache dies nicht zuletzt der zunehmende Fachkräftemangel.

Bis zu 6,5 Millionen Fachkräfte könnten fehlen

"Die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich verschoben", sagte Rump. Nicht die Stellen seien das knappe Gut, sondern die potenziellen Kandidaten für einen neuen Job.

"Bis 2030 werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt 6,5 Millionen Fachkräfte fehlen", prognostizierte die Ludwigshafenerin Institutschefin vor Klinikdirektoren und Vertretern der Kassen und Politik.

Rump ist eine von acht Kommissionsmitgliedern, die im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung die Studie "Die Zukunft der Arbeitswelt - auf dem Weg ins Jahr 2030" erstellt haben. Ihre Auswertung wurde im März 2013 an die Bundesregierung übergeben.

Rump und ihre Kommissionskollegen fordern hierin einen radikalen Systemumbau: Die Arbeitszeit müsse verlängert, das Renteneintrittsalter auf 69 Jahre angehoben, die Teilzeitquote gesenkt werden.

Berufstätige müssen sich künftig auf ein längeres Arbeitsleben einrichten, ist man sich einig. Und dennoch: Die Zeiten, in denen sich Assistenzärzte am Krankenhaus eine Stelle teilen mussten, Dienste und Überstunden ohne Ende schoben oder auf Freizeit, Urlaub und Familienleben zugunsten ihres Berufslebens verzichteten, seien vorbei.

"Wer bis 67 Jahre oder länger arbeiten soll, muss zusehen, dass er einen Job bekommt, bei dem er über viele Jahre leistungsfähig, motiviert und gesund bleibt", so Rump.

"Ich hatte vor Kurzem einen sehr gut qualifizierten Bewerber, der am Ende des Bewerbungsgesprächs eine umfassende Checkliste auf seinem Smartphone öffnete und mit seinen Fragen loslegte", erzählte sie von ihrem Alltag als Institutschefin.

"Sie kommen in meine engere Wahl!"

Und ihr Bewerber wollte es genau wissen: Wie sehen die Aufstiegschancen aus? Wann bietet sich die Chance für ein eigenes Projekt? Gibt es flexible Arbeitszeitangebote? Darf an manchen Tagen von zu Hause gearbeitet werden?

Werden vom Arbeitgeber gesundheitsfördernde Maßnahmen angeboten? "Er fragte abschließend sogar nach familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen, obwohl er derzeit noch keine Frau und Kinder hat", berichtete Rump.

Ein selbstbewusster Kandidat? Sicherlich ja. "Zum Schluss sagte der Bewerber zu mir sehr freundlich: Ich glaube, Ihr Haus kommt bei mir in die engere Auswahl!"

Rump war verblüfft, stellte ihn dennoch ein. "Der hat bei mir eine ganz kurze Anlernzeit bekommen. Ich habe ihn schnell in Projekte gesteckt und dafür verantwortlich gezeichnet.

Mir ist völlig bewusst, dies ist ein zielstrebiger junger Mann, der nicht ewig bei mir arbeiten wird."

Aber auch falls er kündigen sollte, werde man mit ihm in Kontakt bleiben, ihn zu Sommerfesten einladen, ihm jede Stellenausschreibung schicken "Die Belegschaft ist beweglich", bestätigt Heidelbergs Uni-Chefin Dr. Irmtraut Gürkan. Als Arbeitgeber müsse man sich diesen neuen Herausforderungen stellen.

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