Forschungsexzellenz

Tübinger Hertie-Institut mit Leuchtturmfunktion

Der Wissenschaftsrat fordert die Neuausrichtung von Medizinischen Fakultäten und Unikliniken. Der am Tübinger Hertie-Institut für klinische Hirnforschung eingeschlagene Kurs könnte den Einrichtungen eine zielführende Orientierung geben.

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TÜBINGEN. Das am Universitätsklinikum Tübingen (UKT) angesiedelte Zentrum für Neurologie sei ein herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Etablierung einer Departmentstruktur in der Universitätsmedizin in Deutschland.

Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftsrat (WR) in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme zu dem 2001 von der Hertie-Stiftung in Kooperation mit dem Land Baden-Württemberg, der Uni Tübingen sowie dem UKT ins Leben gerufene Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH).

Voraussetzung für den Erfolg ist laut WR eine kritische Masse, zu der in diesem Fall die zusätzliche Finanzierung der Hertie-Stiftung beigetragen habe.

Erfolgsfaktoren seien in ihrer Größe und Leistungsfähigkeit ausgewogene Abteilungen, vergleichbare und verlässliche Finanzierungsgrundlagen einschließlich eines gemeinsam zu vergebenden Budgets, Augenhöhe der Abteilungsleitungen sowie die gemeinschaftliche Wahrnehmung der Verantwortung für wirtschaftliche Belange genauso wie für Belange von Forschung und Lehre.

"Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann das Zentrum für Neurologie als Modell für Departmentstrukturen in der Universitätsmedizin in Deutschland dienen", heißt es in der Stellungnahme, die vom Ausschuss Medizin des WR ausgearbeitet wurde.

Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Der WR bekräftigt in der Stellungnahme seine Auffassung, "dass die Bildung von Departments mit inhaltlichen und organisatorischen Verbesserungen einhergehen muss, die von der Maxime, bessere forschungs- und lehrförderliche Strukturen zu schaffen sowie die Krankenversorgung zu optimieren, geleitet wird."

Der WR sieht das HIH in Einklang stehen mit seinen Empfehlungen zur Neuausrichtung der Organisationsstrukturen von Medizinischen Fakultäten und Unikliniken, die angesichts des zunehmenden wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Wettbewerbsdrucks notwendig sei.

Am Beispiel des HIH werde deutlich, wie durch die Bündelung öffentlicher Ressourcen und zusätzlicher privater Stiftungsmittel ein Zentrum mit innovativen Strukturmerkmalen gegründet und zu einer international sichtbaren Forschungseinrichtung mit herausragender nationaler und internationaler Reputation weiterentwickelt werden könne.

Dem Zentrum sei es darüber hinaus gelungen, eine bedeutende Katalysatorfunktion für die Weiterentwicklung des Schwerpunktbereichs in Fakultät und Universität einzunehmen und eine Dynamik anzustoßen, die zur Einwerbung weiterer institutioneller Verbundprojekte geführt habe. Das Potenzial am Standort sei damit aber noch nicht ausgeschöpft.

"Die geschaffenen Strukturen zu konsolidieren und das Potenzial am Standort nachhaltig weiter zu entwickeln, kann aber nur gelingen, wenn die projektförmige Zusatzfinanzierung in eine gesicherte institutionelle Finanzierung überführt werden kann", gibt der WR zu bedenken.

Hierfür wäre seiner Auffassung nach ein von Bund und Ländern gemeinsam getragenes Förderinstrument geeignet, wie es der WR empfohlen habe, um herausragende Leistungsbereiche langfristig an Universitäten zu halten. Die hier klaffende Lücke in der Förderlandschaft zu schließen, sei ein weiterhin bestehendes Desiderat.

Translationaler Ansatz als solides Standbein

Die im Zentrum gelebte Matrixorganisation mit der horizontalen Vernetzung der Abteilungen mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten und der engen vertikalen Verknüpfung von Grundlagenforschung und Klinik sei insbesondere für die Forschung und Translation förderlich und verfolge einen überzeugenden Bottom-up-Ansatz.

So kann nach Ansicht des WR in den Abteilungen Forschung mit vielen Freiheitsgraden betrieben werden. In Kombination mit der gemeinschaftlichen Verantwortung der bettenführenden Abteilungen für ihr Gesamtergebnis als eine wirtschaftende Einheit sei das eine in Deutschland einmalige Organisationsstruktur.

Kennzeichnend für die Forschung am HIH sind, so der WR, die geno- und phänotypische Charakterisierung von Patientenkohorten und die Aufklärung molekularer und zellulärer Mechanismen normaler und gestörter Hirnfunktion. Dabei würden Studien am Menschen durch Studien in tierexperimentellen Modellsystemen ergänzt.

Der WR bestärke das HIH darin, seinen translationalen Ansatz konsequent weiter zu verfolgen. In der unmittelbaren Anbindung an die Klinik und der Umsetzung forscherinitiierter klinischer Studien liege eine große Stärke und großes Potenzial für die zukünftige Entwicklung des HIH. (maw)

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