Anerkennung ausländischer Abschlüsse

Die Crux mit dem Diplom

Ärzte, die ihre Berufsqualifikation in Drittstaaten außerhalb der EU erworben haben, können die Versorgung in Deutschland bereichern. Knackpunkt ist der Nachweis der Gleichwertigkeit ihres Abschlusses. Laut einem Bericht des BMG knirscht es hier teils gewaltig.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Meist arbeiten Inhaber anerkannter ärztlicher Drittstaatendiplome in Krankenhäusern.

Meist arbeiten Inhaber anerkannter ärztlicher Drittstaatendiplome in Krankenhäusern.

© Bernd Thissen /dpa

BERLIN. "Anerkennungstourismus" – dieses Wort zieht sich wie ein roter Faden durch den "Bericht der Bundesregierung über die Regelungen zu den Anerkennungsverfahren in Heilberufen des Bundes", den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Mittwoch im Bundestag vorgestellt hat (wir berichteten kurz). Im Bericht, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt, zieht das Bundesgesundheitsministerium Bilanz zu dem vor knapp fünf Jahren in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen – inklusive der Anerkennungssituation von Antragstellern, die ihren ärztlichen Heilberufeabschluss außerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums erworben haben.

Arbeitsnachweis gegen Wildwuchs?

Im Bericht werden die von mehreren Bundesländern geäußerten Bedenken widergespiegelt, dass ärztliche Bewerber zunehmend ihre Anträge in Bundesländern stellen, in denen das Anerkennungsverfahren als leichter gelte als in anderen. "Verbesserungsvorschläge betrafen die Notwendigkeit, ‚Anerkennungstourismus‘ zu bekämpfen", wie es im Bericht heißt. Hier habe Sachsen Vereinbarungen auf Länderebene vorgeschlagen. "Auch könne man überlegen, die Anforderungen an die Begründung der örtlichen Zuständigkeit zu erhöhen, indem zum Beispiel ein Nachweis für das Vorhandensein einer Arbeitsstelle erbracht werden müsse", so die Gedanken aus Mecklenburg-Vorpommern.

Bedingt durch den Föderalismus in Deutschland gibt es bisher keine Handhabe, wie Antragsteller zum Beispiel einem Bundesland zugewiesen werden könnten. Geregelt sind die Anforderungen für das Anerkennungsverfahren in der zum 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Verordnung zur Durchführung und zum Inhalt von Anpassungsmaßnahmen sowie zur Erteilung und Verlängerung von Berufserlaubnissen des Bundes. Fußend auf der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, steht ärztlichen Bewerbern für den Fall, dass die Begutachtung Defizite aufdeckt die Kenntnisprüfung als einzige Option offen.

Da die Prüfung von ärztlichen Drittstaatendiplomen sehr zeitaufwändig und ressourcenintensiv sein kann, wurde im vergangenen Jahr die Zentrale Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz und der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen etabliert, die zum 1. September ihre Arbeit aufgenommen hat – mit 16 Personalstellen. Die Zentralstelle erstellt unter anderem detaillierte Gutachten zur Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation, soll aber auch Echtheitsprüfungen von Qualifikationsnachweisen durchführen.

"Frisierte" Papiere?

Nordrhein-Westfalen moniert laut Bericht die Praxis, dass sich Bewerber die Möglichkeit vorbehalten können, festgestellte Defizite durch das Nachreichen entsprechender Qualifikationen auszugleichen – und somit eine Kenntnisprüfung, bei der nicht selten fast die Hälfte der Kandidaten durchfällt, als letzte Hürde zur Approbation bestenfalls umgehen können. Man beobachte zunehmend, "dass beschönigende oder exakt zum Ausgleich der festgestellten Defizite passende Papiere als Arbeitsnachweise oder individuelle Bescheinigungen vorgelegt würden", heißt es im Bericht. Letzteres sei auch von anderen Ländern berichtet worden.

Generell äußern die Bundesländer Kritik am Anerkennungsverfahren: "Einige Länder ließen vorsichtig anklingen, dass man bei dieser Form des Verfahrens bei der Erteilung der Approbation nicht immer die Gewähr bieten könne, dass dem Patientenschutz ausreichend entsprochen werde."

Nordrhein-Westfalen habe deshalb seinen Vorschlag wiederholt, eine verpflichtende Kenntnisprüfung für alle Drittstaatendiplome einzuführen. So werde Transparenz und Rechtssicherheit geschaffen. Zudem erhöhe man damit die Akzeptanz. "Das aus den Kliniken vorliegende Feedback zeige wenig positive Resonanz auch bei festgestellter Gleichwertigkeit der Abschlüsse. Im Arbeitsalltag sei trotz bescheinigter Gleichwertigkeit keine tatsächliche Gleichwertigkeit zu erkennen", mahnt der Bericht. Berlin würde seinen Kandidaten sogar einräumen, die Kenntnisprüfung in englischer Sprache abzuhalten.

Mit der Bürokratie brennt den Ländern bei den Anerkennungsverfahren ein weiteres Thema auf den Nägeln. So hätten Brandenburg und Hessen vorgeschlagen, den Antragstellern ohne vorherigen Qualifikationsvergleich ein Wahlrecht zwischen der Gleichwertigkeitsprüfung und einer sofortigen Kenntnisprüfung anzubieten. "Hiermit könne viel bürokratischer Aufwand vermieden werden, da die Gleichwertigkeitsprüfung in den meisten Fällen ohnehin zur Erforderlichkeit einer Kenntnisprüfung führe", führt der Bericht aus.

Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt verfolgen noch radikalere Vorstellungen und schlagen vor, "nach dem Muster der USA in allen Verfahren generell nur eine Kenntnisprüfung ohne vorherigen Ausbildungsvergleich durchzuführen".

Ländle: Prüfung auf höherem Niveau!

Mit wenigen Ausnahmen beurteilen die Länder die inhaltlich-fachliche Gestaltung der Kenntnisprüfung im ärztlichen Bereich laut Bericht insgesamt als ausreichend und geeignet, um die notwendige berufliche Handlungskompetenz zu attestieren. Nur Baden-Württemberg "vertrat die Auffassung, dass die Kenntnisprüfung nicht das Niveau eines Staatsexamens habe, ein solches Niveau im Interesse des Patientenschutzes aber erforderlich sei."

Mehrere Länder hätten angemerkt, sich mehr Spielraum bei der Möglichkeit zur Prüfung von Defizitfächern zu wünschen. Denn: Die Innere Medizin und die Chirurgie seien obligate Prüfungsfächer, obwohl viele Kandidaten hier keine Defizite aufwiesen. Das Reglement sehe aber vor, dass nur ein weiteres Defizitfach prüfbar sei.

Einig seien sich die Länder in ihrer Mahnung, durch die zunehmende Erteilung von Berufserlaubnissen, die eigentlich als Vorbereitung zum Erlangen der Approbation – und damit der dauerhaften ärztlichen Berufsausübung in Deutschland gedacht ist – das Approbationsgeschehen auszuhöhlen. Denn viele Antragsteller strebten nach Beobachtung der Länder auf lange Sicht gar nicht das Absolvieren des Approbationsverfahrens an.

4

Monate

Verfahrensdauer sind für die Anerkennung von Drittstaatendiplomen ärztlicher Bewerber nach Erhalt aller relevanten Unterlagen von Gesetzes wegen vorgesehen.

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