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Krank sein kann Ärzten manchmal helfen

Bloggerin Solveig Mosthaf denkt, dass es Ärzten gut tut, auch mal selbst krank zu werden: So lernen sie das System einmal von der anderen Seite kennen.

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Wenn Ärzte selbst krank werden, können sie sich anschließend besser in ihre Patienten hineinversetzen – manchmal langt schon eine Sommergrippe.

Wenn Ärzte selbst krank werden, können sie sich anschließend besser in ihre Patienten hineinversetzen – manchmal langt schon eine Sommergrippe.

© Pixland / Pixland / Thinkstock

Im Krankenhaus, während Famulaturen oder Blockpraktika, begegnen wir täglich kranken Menschen. Krankheit und Leid sind allgegenwärtig – klar, es ist ja auch ein Krankenhaus, ein Ort, an den diejenigen kommen, denen es schlecht geht und die auf Besserung hoffen.

Als Studierende und später als Arbeitende im Krankenhaus verliert das Kranksein ein wenig seine Schwere: Wenn das Leid allgegenwärtig ist, beginnt man, die verschiedenen Erkrankungen zu vergleichen. Das hier ist schon schlimm, das dort hingegen überhaupt nicht, vor jener Operation muss man doch eigentlich keine Angst haben.

Individuen werden zum Inhalt von Kurven, Konsilen, OP-Berichten und Briefen. "Die Pyelonephritis in Zimmer fünf soll noch kurz warten, erst reden wir mit dem Karzinom aus Zimmer drei." Sobald der Dienst zu Ende ist, verschwinden die Schicksale hinter den Kliniktüren.

Eine gewisse Lässigkeit

Solveig Mosthaf

Krank sein kann Ärzten manchmal helfen

© Konstantin Güldner

Solveig Mosthaf ist 24 Jahre alt und im 10. Studien-/8. Fachsemester in Freiburg.

Zurzeit ist sie an Kinderheilkunde, Frauenheilkunde oder Allgemeinmedizin interessiert. Sie fühlt sich in der sprechenden Medizin wohler als z.B. in der reinen Chirurgie.

Außerdem ist sie aktiv in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd).

Ja, diese Priorisierung muss sein, um eine adäquate Behandlung sicher zu stellen und eine gewisse Lässigkeit ist nötig, um sich persönlich abzugrenzen. Doch sie birgt eben die Gefahr, die Dinge nicht ernst genug zu nehmen. Es ist eine Gratwanderung.

Ein großer Teil meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen war noch nie in stationärer Behandlung, hat das System noch nie von der anderen Seite aus kennengelernt. Zum Glück, denn ich wünsche es keinem. Trotzdem kann ein Krankenhausaufenthalt einen im Hinblick auf den späteren Beruf schulen. Denn man erlebt dann die Bedeutung von Krankheit und den großen Unterschied zu Gesundheit.

Krank sein schränkt ein – die Selbstständigkeit, das Denken, man funktioniert nicht mehr richtig. Man ist hilflos, bei den einfachsten Tätigkeiten auf andere angewiesen. Nur weil man eine weniger schlimme Erkrankung hat als andere, es einem besser geht als dem Bettnachbarn, heißt das nicht, dass es einem gut geht und dass man nicht darunter leidet. Nur weil die Operation Routine ist, bedeutet das nicht, dass man sich nicht davor fürchtet. Und obwohl viele Arten von Krebs heutzutage gut beherrschbar sind, kann eine solche Diagnose lebensverändernd für ganze Familien sein. Krankheitsbewertung ist subjektiv.

Recht, ernstgenommen zu werden

Als (angehende) Ärztinnen und Ärzte sollten wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass Schicksale individuell sind, dass man Leid und Krankheit nicht objektivieren und schon gar nicht ihre Bedeutung für die Betroffenen von außen bewerten kann. Jede Patientin und jeder Patient hat ein Bedürfnis nach Verständnis sowie das Recht, unter seiner Situation zu leiden und damit ernst genommen zu werden.

Das vergisst man leicht, wenn man den ganzen Tag vor Kurven sitzt und Akten durchblättert. Daher tut es uns vielleicht ganz gut, selbst manchmal krank zu werden. Es muss nicht gleich Krankenhaus sein, ein kleiner fieberhafter Infekt kann einen auch schon ganz schön platt machen. Und vielleicht zum Nachdenken anregen.

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