Datenschutzmängel in Bayern

Die vergessenen Patientenakten von Münsing

Bayern weist Kliniken in einem aktualisierten Leitfaden auf die wichtigsten Anforderungen an die Auftragsdatenverarbeitung hin. Fast zeitgleich werden in einer verlassenen Klinik Krankendaten eines Schauspielers gefunden.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Bei Krankenakten gilt ein strenger Datenschutz.

Bei Krankenakten gilt ein strenger Datenschutz.

© Rudyanto Wijaya/iStock/Thinkstock

MÜNSING. Ab sofort wird das Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) die leerstehenden Gebäude der Wiedemann-Kurklinik im oberbayerischen Münsing sichern lassen.

Das KWA reagiert damit als neuer Inhaber auf Vorfälle: Vor Kurzem fand ein Fotograf in der früheren Privatklinik Krankenakten von einem deutschen Schauspieler.

Der Fotograf wollte dort Medienberichten zufolge die leerstehenden Gebäude fotografieren - ein Schwerpunkt seiner Arbeit.

Aus derselben Klinik stammte anscheinend auch eine Patientenakte, die wenige Wochen zuvor im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße eingesammelt worden war.

Hier geht laut Medienberichten die Vermutung dahin, dass jemand in dem leeren Gebäude war und dabei wohl die betreffende Akte mitgenommen, später verloren oder weggeworfen hatte.

Kein Präzedenzfall

Wie das KWA hinweist, hätten Unbefugte das Privatgrundstück auch ohne besondere Absicherung schon nicht betreten dürfen. Das Unternehmen ist seit zwei Wochen Besitzer der Anlage, wo nun ein Seniorenwohnstift entstehen soll.

Laut einer Pressemitteilung des KWA sind schon bei Erstbegehung alle aufgefundenen, alten Patientenakten vernichtet worden. Da nun noch Unterlagen auftauchten, sei unklar, inwiefern es derzeit doch noch alte Akten in den Gebäuden gebe.

Es ist nicht das erste Mal, dass aus einer bayerischen Klinik Patientenunterlagen in die Hände von Unbefugten geraten. Erst letztes Jahr im Februar wurde eine Patientenakte gefunden, es blieb aber unklar, aus welcher Klinik sie stammte.

"So einen Fall hatten wir bisher noch nicht", stellte Elisabeth Kraml, Referatsleiterin beim Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht, am Montag im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" über die Vorfälle in Münsing fest.

Nach aktuellem Informationsstand, so die Medienberichte, waren Dokumente über einst an der betreffenden Klinik behandelte Patienten, darunter einige bekannte, deutsche Filmschauspieler, offenbar nach der Schließung unbeaufsichtigt in den leeren Gebäuden verblieben.

Etwa fünfzig Jahre lang, heißt es in den Medien weiter, sei die umfangreiche Klinikanlage mit fünf Gebäuden von ihren Gründern, den Brüdern Helmut und Dieter Wiedemann, betrieben worden.

Zwei Zwischennutzungen vor dem kompletten Leerstand

Vor dem kompletten Leerstand habe es zunächst noch zwei Zwischennutzungen gegeben. Etwa ein Jahr lang seien vier der fünf Gebäude von einem italienischen Unternehmen verwendet worden, das aber habe Konkurs anmelden müssen.

Zwei Jahre sei am Ort die psychosomatische Station einer nahegelegenen Klinik betrieben worden. Zuletzt habe ein Großteil der Gebäude über viele Jahre leergestanden. Nur eines, das sich noch im Besitz der Wiedemann-Brüder befinde, sei verwendet worden.

Es habe verschiedentlich Verhandlungen mit Interessenten über einen Weiterverkauf der anderen Häuser gegeben, eine Übernahme sei jedoch nie zustande gekommen.

Dass in den verlassenen Klinikräumen offenbar noch immer Akten früherer Patienten gewesen waren, war vielen anscheinend nicht gegenwärtig, oder es habe sich niemand zuständig gefühlt.

Es könnte, so Kraml im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung", Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeiten gegeben haben. "Es ist eine schwierige Situation, wenn eine verantwortliche Stelle plötzlich nicht mehr existiert."

So sei noch zu klären, ob oder inwiefern die unterschiedlichen Besitzer Vereinbarungen getroffen hätten, wer wann für die Patientenakten verantwortlich sei. Es wäre denkbar, dass es hier gesetzliche Regelungslücken gebe, die in Zukunft noch ausdifferenziert werden müssten.

Die alte Wiedemann-Klinik stand anscheinend lange Zeit weitgehend unbeaufsichtigt. Berichten zufolge sind Türen und Fenster beschädigt, das Gebäude sei leicht zugänglich. Eine besondere Sicherung habe es nicht gegeben.

Vereinzelt hätten öffentliche Veranstaltungen in den Räumen stattgefunden. Den rechtlichen Vorgaben zufolge hätten sämtliche Akten früherer Patienten zu jeder Zeit sicher verwahrt sein müssen. Eine zentrale Frage ist offenbar, von wem.

Aufbewahrungsfrist abgelaufen?

Ein Großteil hätte aber darüber hinaus schon längst vernichtet sein müssen. Das ist die gesetzliche Vorgabe für Patientenakten, wenn die vorgeschriebenen zehn bis 30 Jahre der Aufbewahrung vorbei sind.

Professor Thomas Petri, der Landesbeauftragte für Datenschutz in Bayern, sowie das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (LDA) befassten sich daraufhin genauer mit der Datenschutzsituation an Krankenhäusern.

Vor wenigen Tagen veröffentlichten sie einen aktuellen Leitfaden für das Vorgehen bei der Beauftragung externer Dienstleister für Datenverarbeitung und Aktenvernichtung durch öffentliche und private Kliniken. Dieser soll kontinuierlich weiterentwickelt werden.

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