Big Data

Urologen wollen Wissensdatenbank aufbauen

Von den massenhaften Patientendaten, die Ärzte tagtäglich dokumentieren, profitiert die Versorgungsforschung bislang kaum. Die Urologen wollen mit einem Big Data Kodex nun die Informationsbrüche zwischen den IT-Systemen in Praxis und Klinik überwinden.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Big Data ist das Schlagwort unserer Zeit. Doch in der Medizin fristet es nach wie vor ein Mauerblümchen-Dasein. Schier unendliche Datenmengen schlummern in den Klinik- und Praxis-EDV-Systemen und warten darauf, für eine bessere Versorgung der Patienten und auch im Sinne der Qualitätssicherung sektorübergreifend genutzt und ausgewertet zu werden.

Diffuse Datensätze und IT-Systeme, die nicht miteinander kommunizieren, verhindern bislang aber den Aufbau von Wissensdatenbanken. Damit sich dies endlich ändert, hat mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) nun die erste Fachgesellschaft einen Kodex für den Umgang mit Patientendaten erarbeitet.

Besserer Umgang mit Ressourcen

Ziel ist es, die medizinische Dokumentation in Struktur, Inhalten und Prozessen systemunabhängig zu standardisieren. Und damit die Ausgangsbasis für den Aufbau und die Weiterentwicklung einer Wissensdatenbank im Fachgebiet Urologie zu schaffen.

 "In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass ohne standardisierte Regeln viele Ressourcen verschlingende Datensammlungen in den einzelnen Einrichtungen aufgebaut werden, die durch mangelnde Qualität bei z.B. mangelnder Quellensicherheit nicht wirklich nutzbar sind", sagt der Vorsitzende der WissensAkademie der DGU und Leiter der Arbeitsgruppe Dokumentationsleitfaden, Professor Bernd Wullich. "Voraussetzung für eine einrichtungsübergreifende elektronische Nutzung ist deshalb eine indikationsspezifische standardisierte Patientendokumentation in den verschiedenen Versorgungsinstitutionen, wie wir sie nun für die Urologie definiert haben."

Der Startschuss für das Projekt Uro-Kodex fiel auf dem DGU-Jahreskongress 2014 in Düsseldorf. Dort wurde die Arbeitsgruppe Dokumentationsleitfaden konstituiert. Nicht ganz zwei Jahre später liegt nun das Ergebnis vor, an dem auch Patientenvertreter sowie der Bundesverband der Deutschen Urologen e.V. (BDU) mitgewirkt haben.

Dabei beleuchtet der Kodex zunächst den leidlichen Ist-Zustand: Die Daten sind nicht nur in unterschiedlichen Systemen im stationären und ambulanten Sektor gespeichert. Vielfach seien diese Systemlösungen auch ursprünglich für andere Aufgaben, etwa die administrative Abrechnung, entwickelt worden, heißt es.

Dabei liegen in den Kliniken zwar mit der kodierten Dokumentation von Diagnosen, Prozeduren und für die DRG-Abrechnung notwendigen Zusatzangaben sehr differenzierte und strukturierte Inhalte vor. Doch sie lassen sich eben nicht in Einklang mit den Daten aus den Arztpraxen bringen.

 Die wiederum durch ihre verlaufsorientierte Dokumentation - vielfach allerdings mit Freitext-Einträgen - den Behandlungsablauf besser abbilden. Zusätzlich gebe es noch in verschiedenen Institutionen wir Tumorzentren selbst gebaute IT-Lösungen etwa auf Excel-Basis.

Die Folge der Informationsbrüche, die dadurch zwischen den Sektoren entstünden, seien Qualitäts- und Sicherheitsmängel, so die Arbeitsgruppe. Dies werde um so wahrscheinlicher, je komplexer sich ein Behandlungspfad durch die rasche Einführung von Innovationen weiter entwickle - und je langsamer auf der anderen Seite das Wissen hierüber Bestandteil der Versorgungsrealität werde.

Patienten aktiv einbeziehen

Erster Schritt ist laut der Arbeitsgruppe daher der weitgehende Verzicht auf Freitext und die Formalisierung der erlaubten Dateninhalte für die Dokumentation. Dabei sprechen sich die Experten bewusst dafür aus - auch im Sinne der Patientenrechte - die Patienten aktiver in die Dokumentation einzubeziehen. So sollen die Patienten ihre persönlichen Daten nicht nur einsehen, sondern auch definierte Parameter etwa zur Lebensqualität selbst dokumentieren können.

Wichtig für den Datenschutz ist, dass die Patientendaten nur pseudonymisiert der Wissensdatenbank zur Verfügung gestellt werden. Die Pseudonymgenerierung sollte laut der Arbeitsgruppe lokal erfolgen. Dabei bleiben die Daten in der Hoheit des dokumentierenden Zentrums.

Außerdem sieht der Uro-Kodex strenge Zugriffsregeln für die Nutzung der Daten vor. So dürfen Änderungen in den Patientendaten ebenfalls nur von Personen des dokumentierenden Zentrums vorgenommen werden.

Die Arbeitsgruppe setzt sich zudem zum Ziel, den bürokratischen Aufwand für die Ärzte gering zu halten: Die Erfassung und Speicherung der für die Wissensdatenbank relevanten Patienten- und Behandlungsdaten müsse so standardisiert werden, dass diese gleichermaßen für die medizinisch-inhaltliche Dokumentation des aktuellen Behandlungsfalls wie auch für die Abrechnung und das Qualitätsmanagement genutzt werden könnten.

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