Gesundheitskarte

Bremsklotz oder Anwalt der Patienten?

Die Ärztekammer Hessen wehrt sich gegen den Vorwurf, die Einführung der Gesundheitskarte zu bremsen. Den E-Arztausweis will sie zunächst trotzdem nicht ausgeben. So ganz von der Hand zu weisen sind ihre Argumente für einen bedachten Umgang mit der E-Card allerdings nicht.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

FRANKFURT/MAIN.Während sich in anderen Kammerregionen die Ärzte längst mit dem elektronischen Heilberufeausweis (eHBA) - auch E-Arztausweis genannt - rüsten, um im nächsten Jahr von der Förderung des elektronischen Arztbriefes zu profitieren, ist es hessischen Ärzten bislang nicht möglich, den nötigen Antrag bei ihrer Ärztekammer zu stellen.

 Drei Anbieter für den E-Arztausweis gibt es nach einer Rahmenvereinbarung der Bundesärztekammer (BÄK): die Medisign GmbH, das Unternehmen gibt die Ausweise schon fleißig aus, sowie die Bundesdruckerei und T-Systems, die laut BÄK perspektivisch auch in den Markt eintreten werden. Doch die Landesärztekammer (LÄK) Hessen hat die Rahmenvereinbarung bislang nicht unterzeichnet. Der Grund: Datenschutzbedenken.

Als Bremser der Gesundheitskarte und ihrer zugehörigen Datenautobahn, der Telematikinfrastruktur, möchte die Kammer jedoch nicht gesehen werden. "Den Vorwurf vor allem aus der Politik, dass die hessische Ärztekammer fortschrittsfeindlich sei, möchten wir zurückweisen", sagte Dr. Edgar Pinkowski, Vorsitzender des Ausschusses Telematik auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main.

Ganz im Gegenteil: Dass elektronische Arztbriefe rechtsgültig unterschrieben werden müssen, leuchte jedem ein, so Pinkowski. Die Kammer habe schon vor Jahren ihren Mitgliedsausweis um eine Signaturfunktion erweitert. Darüber könnten die Ärzte elektronisch sicher kommunizieren - mit den Möglichkeiten, die das Internet heute schon biete und ohne Telematikinfrastruktur.

Das Hauptproblem für die Kammer ist nicht die Signaturfunktion: Der elektronische Heilberufeausweis soll die Zugangskarte zu weiteren Anwendungen sein. Doch die zugehörige sichere Infrastruktur sei noch längst nicht da. "Den einzigen sicheren Kommunikationskanal, den es derzeit gibt, ist das sichere Netz der KVen", sagte Pinkowski.

Die wunden Punkte der E-Card

2004 habe der Gesetzgeber die Grundlage für die Gesundheitskarte gelegt, erläuterte LÄK-Präsident Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach. Viel passiert sei seither nicht. Daran ändere auch das E-Health-Gesetz nichts. Von Knoblauch zu Hatzbach: "Die Ziele des E-Health-Gesetzes sind hoch gesteckt." Hierbei dürfe Schnelligkeit aber keinesfalls vor Qualität gehen.

Die Kammer legt den Finger dabei in die richtigen Wunden: Derzeit gibt es noch keine zertifizierten Konnektoren. Sie sind aber das Herzstück der Telematikinfrastruktur, da sie die Verbindung zur sicheren Datenautobahn herstellen und gleichzeitig die übertragenen Daten ver- und entschlüsseln.

"Warum sollen, wenn die Industrie nicht in der Lage ist, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Konnektoren zum Testen und Zertifizieren vorzulegen, die Körperschaften bestraft werden?", fragte Pinkowski. Mit Blick auf die Ärzte, die spätestens ab Juli 2018 dann ebenfalls mit Sanktionen rechnen müssen, fügte er hinzu: "Was nicht da ist, können wir auch nicht anwenden."

Unklar sei aber auch, wo welche Informationen der Patienten künftig gespeichert würden, so von Knoblauch zu Hatzbach. Von Patientenvertretern werde immer vorgebracht, der Patient solle Herr seiner Daten sein. "Bei mir war er das schon immer, aber ich war der sichere Tresor der Daten", sagte der Kammer-Präsident.

Was ebenfalls noch fehlt: eine flächendeckende Breitbandvernetzung. Gerade bei telemedizinischen Leistungen seien große Datenmengen unterwegs, erläuterte Pinkowski. Wer trage die Verantwortung, wenn ein Arzt wegen eines schlecht übermittelten Bildes etwas übersieht? "Zumindest für Hessen beziehungsweise den Kreis Gießen kann ich sagen, dass es bis Ende 2017 dauern wird, bis wir wirklich in der letzten Ecke Breitband haben."

Die Crux mit dem Medikationsplan

Als durchaus sinnvoll erachtet die Kammer indes die Speicherung der Notfalldaten und des Medikationsplanes auf der Gesundheitskarte. Wobei der Papierplan, der ab Oktober kommt, laut Pinkowski keine Verbesserung bringt. Das hätte man besser direkt elektronisch gemacht. "Ich sehe nicht, ob es die aktuellste Version ist. Das geht nur elektronisch, wenn ich jeden Eintrag nachvollziehen kann." Der Barcode ändere daran nichts, da ja alle Vertragsärzte den Plan erstellen sollen und können. Damit könnte der Patient durchaus drei verschiedene Medikationspläne in der Tasche haben.

Auch zum Thema Telemedizin hat die LÄK Hessen eine dezidierte Meinung. Eine teilweise Lockerung des Fernbehandlungsverbots wie in Baden-Württemberg gebe es nicht, machte Kammerpräsident von Knoblauch zu Hatzbach deutlich. "Die Sicherheit der Patienten hat für uns oberste Priorität, deshalb können wir auch nicht auf den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt verzichten." Das gilt laut von Knoblauch zu Hatzbach zumindest für den ersten oder zweiten Kontakt.

Bei Patienten, die der Arzt kenne oder in der Betreuung von Chronikern sieht er hingegen keine Schwierigkeiten, hier seien Dinge wie eine Videokonsultation durchaus möglich. Der hessische Kammerpräsident erkennt auch an, dass die Telemedizin in einigen Bereichen einen wichtigen Versorgungsbeitrag leistet. "Telemedizinische Anwendungen haben bereits Eingang gefunden in der Akutbehandlung von Schlaganfallpatienten", sagte er.

Das sei sinnvoll, weil nicht überall jede Fachrichtung vorgehalten werden könne. Im Bereich der Pathologie sei es zudem längst nicht mehr ungewöhnlich, dass man sich weit über nationale Grenzen hinweg austausche.Ähnlich wie die Landesärztekammer Baden-Württemberg ein telemedizinisches Projekt mit zu begleiten und zu evaluieren kann er sich hingegen nicht vorstellen. Von Knoblauch zu Hatzbach: "Wir warten erst einmal ab, was die Evaluation aus Baden-Württemberg bringt."

Müssen Hessens Ärzte Sanktionen fürchten?

Letztlich wohl nicht entziehen können wird sich die Kammer dem E-Arztausweis. Zwar gelte der Beschluss der Delegiertenversammlung aus dem Jahr 2008 noch, nach dem erhebliche Datenschutzbedenken bestehen. Aber die Kammer will zumindest nicht dafür verantwortlich sein, dass Ärzte Einbußen oder Sanktionen hinnehmen müssen. Wenn die Förderung des E-Arztbriefes die Nutzung der Telematikinfrastruktur voraussetzt, dann benötigen laut Pinkowski die Ärzte auch den Ausweis. Und spätestens mit den echten Online-Mehrwertanwendungen der Gesundheitskarte, die 2018 mit dem E-Notfalldatensatz und dem E-Medikationsplan kommen, werden die Ärzte um den eHBA als Identifikationsmedium nicht mehr umhinkommen.

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