Informatik

Digitalisierung ist kein Allheilmittel

Digitale Daten und Prozesse bieten nicht nur Vorteile, mahnen Kliniker. Sie bergen auch Risiken – etwa fürs Arzt-Patienten-Verhältnis.

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KIEL.Die Chancen der Digitalisierung werden derzeit auf jedem Gesundheitskongress diskutiert – auch kürzlich bei der Veranstaltung "Vernetzte Gesundheit" in Kiel. Oft wird dabei das Positive in den Vordergrund gestellt und bemängelt, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen anderen Branchen hinterherhinkt. Gynäkologe PD Dr. Ivo Heer ist das zu einseitig.

Der Ärztliche Direktor des Friedrich-Ebert-Krankenhauses (FEK) in Neumünster ist das Gegenteil eines Bremsers. Sein Krankenhaus gehört zu den modernsten im Norden und steht am Übergang zur Volldigitalisierung. Heer unterstützt diese Entwicklung – vermisst aber, dass die Branche auch die mit der Digitalisierung verbundenen Risiken in den Blick nimmt.

Mit Problemen auseinandersetzen

"Digitalisierung allein reicht nicht", warnte er in Kiel vor dem Glauben an ein Allheilmittel für die Probleme im Gesundheitswesen. Denn die Digitalisierung hilft nicht nur, sie schafft auch Probleme. Heer nannte zwei Beispiele:

Die Abhängigkeit vom Funktionieren der IT: Einrichtungen im Gesundheitswesen sind ohne IT nicht arbeitsfähig, also müssen sie das Ausfallrisiko minimieren und sich absichern. Diese zusätzliche Absicherung ist teuer und nicht über die Fallpauschalen abgedeckt – ein Problem für viele Krankenhäuser. Hier fehle Unterstützung durch den Gesetzgeber.

Die Belastung für das Arzt-Patienten-Verhältnis: IT soll zwar Zeit sparen, aber zu längeren persönlichen Kontakten zwischen Arzt und Patient hat dies bislang nicht geführt. Und wenn es zum Kontakt kommt, ist oft ein Bildschirm als störende optische Hürde mit im Spiel.

Digitalisierung als Führungsaufgabe

Heer ist skeptisch, ob das Arzt-Patientenverhältnis die Digitalisierung schadlos übersteht. Das kann nach seiner Befürchtung auch zu Frust unter Mitarbeitern führen. Dass eine Klinik andererseits nicht auf jeden Mitarbeiter Rücksicht nehmen kann, der den eingeschlagenen digitalen Kurs nicht uneingeschränkt mitträgt, machte Sven Fritzsche vom Unfallkrankenhaus Berlin deutlich.

Der stellvertretende Pflegedirektor betrachtet es als Führungsaufgabe, Digitalisierung im Krankenhaus umzusetzen. Dabei gelte: "Man kann nicht jeden dort abholen, wo er gerade steht."

Helfen könnte ein intensiverer Austausch zwischen IT-Beschäftigten auf der einen und Ärzten und Pflegekräften auf der anderen Seite. Nach Beobachtung von Professor Björn Bergh vom Heidelberger Universitätsklinikum wissen die Berufsbilder in deutschen Krankenhäusern zu wenig über die Anforderungen, die an die jeweils andere Berufsgruppe gestellt werden. Und dass ein Mediziner wie Bergh zugleich IT-Experte ist, bleibt die Ausnahme. (di)

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