E-Health

Fehlt es der Digitalisierung an Schwung?

Digitalisierung steht eigentlich synonym für eine hohe Geschwindigkeit und Innovationen. In Deutschland ist bei der Telematikinfrastruktur jedoch wenig davon zu spüren.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Noch fehlt bei E-Health in Deutschland die nötige Dynamik.

Noch fehlt bei E-Health in Deutschland die nötige Dynamik.

© ra2 studio / fotolia.com

DÜSSELDORF. Bei der notwendigen Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt den Ärzten eine zentrale Rolle zu, glaubt Dr. Jörg Ansorg, Geschäftsführer des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie und der Akademie Deutscher Orthopäden.

Sie sind nicht nur Nutzer von digitalen Innovationen, sondern auch Treiber und gleichzeitig ein wichtiger Ansprechpartner der Patienten. "Es ist eine große Chance für Ärzte, dass sie Grenzgänger sein können und sollen", sagte Ansorg beim apoForum der Deutschen Apotheker- und Ärztebank und des Pharmaunternehmens Novartis in Düsseldorf.

Chance auf optimierte Versorgung

Viele digitale Anwendungen bieten nach Einschätzung des Chirurgen die Chance, die Versorgung der Patienten zu verbessern. "Nach dem Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks können wir die Patienten mithilfe des Schrittzählers im Smartphone motivieren, sich zu bewegen."

Mediziner sollten sich bei der Entwicklung von gesundheitsbezogenen Anwendungen aktiv einbringen. "Mit unserem Wissen und Erfahrungsschatz können wir Innovationen beeinflussen und für die Behandlung nutzbar machen", so Ansorg.

Aus Angst vor Trägheit: Start-Ups konzentrieren sich auf zweiten Gesundheitsmarkt

Der digitale Fortschritt darf nach seiner Einschätzung nicht auf den privat finanzierten Bereich beschränkt bleiben. "Die Mehrheit der Start-ups ist im zweiten Gesundheitsmarkt unterwegs, weil sie die trägen Strukturen scheuen", erklärte er.

Auch Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, warnte davor, dass das öffentliche Gesundheitswesen bei der Digitalisierung den Anschluss verlieren könnte. "Start-ups müssen die Dinge in sechs Monaten zur Marktreife entwickeln, ich habe in sechs Monaten eine Gremiensitzung", sagte er.

Ballast sieht die Gefahr, dass sich die Telematikinfrastruktur zu einer Art "Canfranc Estación" entwickeln könnte. Der 1928 in dem spanischen Pyrenäen-Ort eröffnete Bahnhof ist völlig überdimensioniert. Das Projekt wurde von der Entwicklung überholt, das erwartete Passagieraufkommen nie erreicht, weil der Verkehr über andere Wege lief.

Bei der Digitalisierung könnten die langsamen Prozesse dazu führen, dass die Unternehmen ins Ausland abwandern und die Anwendungen vor allem auf dem privaten Markt zur Verfügung stehen, warnte auch Ballast. "Das kann nicht in unserem Interesse sein, deshalb müssen wir an Geschwindigkeit aufnehmen."

Es gehe darum, innovative Ideen und bewährte Prozesse sicher zu verbinden, sagte Professor Arno Elmer von Innovation Health Partners in Berlin. "Das braucht den Willen zu Kooperation, Koordination und Moderation." Der ehemalige Hauptgeschäftsführer der gematik ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen große Chancen bietet. "Es gibt auch Risiken aber nicht mehr und nicht weniger als in anderen Bereichen."

Veraltete Technik als Hauptproblem

Das Problem der Telematikinfrastruktur liegt nach seiner Ansicht darin, dass sie auf einer inzwischen veralteten Technik aufbaut. "Der Patient will mit dem Smartphone in die Telematikinfrastruktur und nicht mit dem Konnektor", sagte Elmer. Ein weiterer Nachteil: "Der Monopolanspruch passt nicht in die heutige digitale Welt."

Auch Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, plädierte für eine Öffnung der Telematikinfrastruktur. Sie könne die Basis-Struktur sein, an die sich heilberufliche Netze anschließen. "Wir müssen interprofessionelle Kommunikationsplattformen aufbauen, auf denen wir patientenbezogene Daten transportieren wollen", forderte Froese.

Er würde sich ein schnelleres Vorankommen bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen wünschen, betonte der SPD-Politiker Dirk Heidenblut, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag. "Aber wir müssen auch die mitnehmen, die Angst haben." Ein Problem ist aus seiner Sicht die negativ geprägte Kommunikation rund um die elektronische Gesundheitskarte.

Heidenblut hält es für notwendig, gerade die aus Sicht der Patienten positiven Aspekte in den Vordergrund zu stellen. "Die Karte ist für die Patienten die Möglichkeit, die Hoheit über ihre Daten zu bekommen."

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