Günstige Versorgung im Alter - wie wär's mit einem "Krankenhaus zu Hause"?

Hohe Kaufkraft und hoher Bedarf nach medizinischen Leistungen: Menschen ab 60 Jahren gehören heute nicht mehr zum alten Eisen - aber für ihre Versorgung sind innovative Ideen gefragt.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Mit solchen Systemen im Haus - im Bild das Telemonitoring-System Motiva von T-Systems - könnten ältere Menschen zu Hause betreut werden.

Mit solchen Systemen im Haus - im Bild das Telemonitoring-System Motiva von T-Systems - könnten ältere Menschen zu Hause betreut werden.

© Foto: T-Systems

Die Generation der Menschen über 60 verfügt über eine Kaufkraft von 316 Milliarden Euro. Zugleich fragen sie verstärkt medizinische Leistungen nach - die Rede ist von einer "Geriatrisierung des Gesundheitswesens". Die fünfte nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock beschäftigte sich in erster Linie mit den damit verbundenen Chancen.

Mit Erreichen des 60. Lebensjahres gehörte man früher zum "alten Eisen". Diesen Ausdruck möchte Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder aus dem Bundesgesundheitsministerium am liebsten aus dem Vokabular streichen. Denn die Volkswirtschaft kann nach seiner Überzeugung auf Erfahrung und Arbeitskraft der Menschen im letzten Lebensdrittel nicht verzichten. Wie aber schafft man es, die Menschen für diese Aufgabe gesundheitlich fit zu halten und zu vertretbaren Kosten zu versorgen? Zu dieser Frage wurden in Rostock Lösungsansätze aus mehreren Ländern vorgestellt:

  • USA: In den USA wird an technischen Lösungen gebastelt, die eine lückenlose Überwachung des Gesundheitszustands erlauben. Das Spektrum reicht von der Matratze, die den Blutdruck misst, bis zum WC, das den Urin untersucht. Vorbehalte gegen eine solche Rundum-Überwachung werden nach Ansicht von Professor Robin Felder vom Medical Automation Research Center der University of Virginia schnell überwunden. Nach seiner Überzeugung ist den meisten Menschen das Gefühl der Sicherheit wichtiger als die Bedenken gegen die Überwachung. Er glaubt sogar, dass vielen Menschen der Technik eher vertrauen als dem Rat eines Mediziners.
  • Finnland: In Finnland, das eine noch stärkere Alterung der Bevölkerung verzeichnet als Deutschland und zugleich Menschen in dünn besiedelten Flächen versorgen muss, setzt man ebenfalls auf Medizintechnik, verbunden mit Betreuung durch nicht medizinische Heilberufe. So arbeitet ein Seniorendienst an der dünn besiedeten finnisch-russischen Grenze mit einem Besuchskonzept, das an das deutsche Schwester-Agnes-Modell erinnert. In der Stadt Tampere wird das Projekt "Krankenhaus zu Hause" erprobt. Auch hier sollen die vergleichsweise teuren Klinikaufenthalte vermieden werden, indem medizinische Hilfe zu Hause erleichtert wird.
  • Mecklenburg-Vorpommern will in Kürze ein "Gesundheitshaus" anbieten, das von den Bewohnern nach Bedarf mit Produkten aufgerüstet werden kann, die ein Leben in den eigenen vier Wänden auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlauben. Bedarf sieht man im Nordosten für dieses Produkt, weil die meisten Menschen im Alter nicht in ein Heim wollen und der Nordosten zugleich immer mehr zum Zuzugsland für Menschen ab 55 Jahren wird.
  • Deutschland: Bundesweit will Mecklenburg-Vorpommern eine Diskussion zur Frage anstoßen, ob arbeitsfähige Menschen wegen ihres Alters aus dem Beruf ausscheiden müssen. Analog zur gefallenen Regelung für Vertragsärzte sollen Altersgrenzen auch anderswo fallen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering hält solche Regelungen nicht mehr für zeitgemäß.

Deutlich wurde in Rostock aber auch, dass der Arbeitsalltag vieler Berufe, etwa der einer Krankenschwester, ein Arbeiten über das Rentenalter hinaus nicht erlaubt. "Die sind mit 60 verbraucht", sagte ein Zuhörer. Ziel müsse es deshalb sein, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihren Beruf möglichst lange gesund auszuüben.

Welche betrieblichen Ansätze dabei helfen können, soll ebenfalls im Nordosten erprobt werden. Wie sehr solche Modelle vermisst werden, zeigt ein Blick auf den Altersdurchschnitt des Pflegepersonals in vielen Kliniken - das ist durchaus vergleichbar mit dem der Vertragsärzte.

Ärzteknappheit

Auf der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock ging es auch darum, ob die Ärzteknappheit bald der Vergangenheit angehören könnte. Professor Axel Ekkernkamp erwartet, dass der Höhepunkt dieser Entwicklung überschritten ist. Gründe: Der Bedarf versorgungsfremder Einrichtungen sei gedeckt, und Ärzte aus dem Ausland kehrten zunehmend zurück. Kammer-Vize Dr. Wilfried Schimanke gab zu bedenken, dass aber nach wie vor Probleme bestehen, in bestimmten Regionen Ärzte zu finden. Damp-Chef Torben Freund glaubt nicht an ein baldiges Ende der Ärzteknappheit. Sein Unternehmen überlegt, wie es auch Ärzte über das Rentenalter hinaus an die Kliniken binden kann. (di)

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