Telemedizin im Klinikalltag

Via Datenautobahn nach Brunei

Neurologisches Know-how aus Frankfurt für Brunei - auf diesen Nenner lässt sich das Projekt einer Frankfurter Klinik bringen. Telemedizin dient dabei als Basis für Fallkonferenzen.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:
Die Verkehrsinfrastruktur in Brunei ist gut. Bei der medizinischen Versorgung klaffen aber noch Lücken. Helfen können hier telemedizinische Lösungen. Geld dafür ist in dem Sultanat zur Genüge vorhanden.

Die Verkehrsinfrastruktur in Brunei ist gut. Bei der medizinischen Versorgung klaffen aber noch Lücken. Helfen können hier telemedizinische Lösungen. Geld dafür ist in dem Sultanat zur Genüge vorhanden.

© Thijs Heslenfeld/Brunei Tourism

FRANKFURT/JERUDONG. Ärztliche Behandlung über Grenzen und Kontinente hinweg: Das Frankfurter Krankenhaus Nordwest zeigt seit 2010, wie sich deutsche Spitzenmedizin ins Ausland exportieren lässt.

Und zwar mit seiner telemedizinischen Kooperation mit dem südostasiatischen Sultanat Brunei.

Am Anfang des Projekts stand ein Zufall. Der damalige Vize-Verteidigungsminister von Brunei war auf Reisen in Frankfurt, erkrankte akut an einer Nipahvirus-Enzephalitis und wurde im Krankenhaus Nordwest in der Abteilung von Professor Uta Meyding-Lamadé behandelt.

Weil es seinerzeit in Brunei keine neurologische Klinik für Akut- und Intensivversorgung gab, wurde die Chefärztin gebeten, beim Aufbau einer solchen Einrichtung zu helfen und sie zu leiten.

Klinikbau in nur vier Monaten

In der Rekordzeit von nur vier Monaten wurde im Jerudong Park Medical Center eine neurologische High-End-Station mit Intensivabteilung geschaffen, berichtete die Neurologin Meyding-Lamadé jüngst bei einem Vortrag im Rahmen der Bad Nauheimer Gespräche in Frankfurt.

Grund für den Zeitdruck: Das Neuroscience Stroke and Rehabilitation Center (NSRC) sollte bis zum Geburtstag des Sultans fertig werden.

Brunei, gelegen auf Borneo und nur rund 5700 Quadratkilometer groß, verfügt über stattliche Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung und bietet seinen etwa 400.000 Einwohnern kostenlose Gesundheitsversorgung.

Die Finanzierung der Einrichtung, die heute laut Meyding-Lamadé eines der größten südostasiatischen Zentren für Neurologie und Neuro-Rehabilitation ist, war daher kein Problem.

Kernstück der Zusammenarbeit über eine Distanz von rund 12.000 Kilometern ist die Telemedizin. Über eine schnelle und sichere Internetverbindung steht das gesamte Team des Krankenhauses Nordwest für Fallkonferenzen und die Befundung von Untersuchungsergebnissen - CT, MRT, Liquorzytologie und anderes mehr - bereit, und zwar an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr.

Inzwischen seien am NSRC über 2000 Patienten behandelt worden, berichtete Meyding-Lamadé.

Wissenstransfer auch vor Ort

Ihr war daran gelegen, "auszubilden, statt einzurücken". Fachärzte sowie Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten werden nicht vom NSRC abgeworben, sondern reisen jeweils für zwei oder drei Monate nach Brunei und geben ihr Wissen an einheimische Kollegen weiter.

Bezahlt wird ihr Auslandseinsatz vom Sultanat - und das recht großzügig. Für die Ausbildung einheimischer Fachärzte wurde ein neues Curriculum erstellt, das zwei Jahre im Ausland und zwei Jahre in Brunei vorsieht.

Die Neurologin sieht für Telemedizin gerade in ihrem Fach viele Anwendungsmöglichkeiten, etwa in der Rehabilitation.

Für viele Patienten sei die Anfahrt zur Krankengymnastik oder Logopädie sehr anstrengend, heimbasierte Reha am Bildschirm könne hier eine sinnvolle Alternative sein, ohne dass die oftmals so wichtige persönliche Beziehung zwischen Therapeut und Patient verloren gehe.

Ihr Brunei-Projekt empfindet Meyding-Lamadé dabei als wegweisend: "Wir können in Deutschland nicht nur Autos bauen oder Kliniksuiten für reiche ausländische Patienten zur Verfügung stellen."

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