Herzinsuffizienz

Telemedizin hilft, die Klinik zu vermeiden

Die telemedizinische Betreuung von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz ist Gegenstand mehrerer Forschungsprojekte in Deutschland. Ein System hat jetzt den Weg in die ESC-Leitlinie gefunden. Die Erstattung lässt noch auf sich warten.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Nicht größer als eine Büroklammer: Das CardioMEMS-System misst den Blutdruck über einen Drucksensor.

Nicht größer als eine Büroklammer: Das CardioMEMS-System misst den Blutdruck über einen Drucksensor.

© St. Jude Medical

FRANKFURT/MAIN. Wie viele Krankenhauseinweisungen von Herzinsuffizienz-Patienten muss ein telemedizinisches System einsparen, damit die Implantation eines Drucksensors kosteneffizient ist?

Und wenn dieses Quorum nicht erreicht wird: Wie viel wert ist die gesteigerte Lebensqualität von gut eingestellten Herzinsuffizienz-Patienten dem Gesundheitssystem?

Es sind Fragen wie diese, die jetzt unter anderem in Deutschland vor Einführung von Telemonitoring-Systemen in die Regelversorgung gestellt werden. Die Forschung zum Nachweis des Nutzens und der Kosteneffizienz von neuen telemedizinischen Verfahren gerade bei Herzinsuffizienz läuft aktuell auf mehreren Gleisen.

Während die Studie TIM-HF über die Fernüberwachung von Parametern wie Gewicht, EKG und Blutdruck läuft, setzt das CardioMEMS-System auf die Messung des Blutdrucks in der Lungenarterie über einen implantierten Drucksensor.

20 bis 30 Tage Vorlauf

Die Idee dahinter ist die, dass bei zunehmender Herzinsuffizienz zuerst der Lungenhochdruck steigt, erst 20 bis 30 Tage später lagere sich Wasser in der Lunge ab, und es komme zu Symptomen der Dekompensation. Stelle man dies früh genug fest, bleibe genug Zeit, die medikamentöse Therapie anzupassen, so komme es gar nicht erst zur Dekompensation, beschrieb Professor Birgit Aßmus von der Frankfurter Universitätsklinik den Mechanismus in Frankfurt.

Die Druckmessung übernimmt bei CardioMEMS das Implantat, eine Entwicklung des Medizintechnik-Unternehmens St. Jude Medical.

Dafür lege sich der Patient einmal täglich auf ein Kissen, in dem eine Spule sei, die induktiv über elektrischen Strom das büroklammer-große Implantat in der Lungenarterie ähnlich wie eine Stimmgabel in Schwingung bringe.

Diese Schwingungen könnten dann über eine Radiofrequenz-Antenne gemessen werden, sie variierten je nach Blutdruck in der Arterie. Die Werte werden dann automatisch über Mobilfunk in ein Telemedizinzentrum übertragen.

Finanzierung derzeit aus Drittmitteln

Bei 19 Patienten habe derzeit das Herzinsuffizienz-Zentrum diese Funktion des Telemedizin-Zentrums übernommen, als erste Klinik in Deutschland, nachdem das System die Zulassung bekommen habe, berichtete Aßmus. Die Implantation und die telemedizinische Überwachung würden derzeit noch aus Drittmitteln für Studien finanziert, so Aßmus weiter.

Die Evidenzlage für CardioMEMS ist recht gut, nachdem die randomisierte CHAMPION-Studie mit 550 Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA III) gezeigt hat, dass die Rate der Rehospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz signifikant um 33 Prozent niedriger als in der standardmäßig versorgten Kontrollgruppe war.

Die Senkung bei der Mortalität war dagegen nicht signifikant. Das System sei daraufhin jetzt gerade von der European Society of Cardiology (ESC) in ihre Leitlinien als empfohlenes Therapiemanagement aufgenommen worden, berichtete Aßmus.

Mehr Sicherheit auch für Hausärzte

"Für die Patienten bringt das System vor allem mehr Sicherheit, dass bei einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz die Therapie sofort angepasst wird", so Aßmus. Denn wenn die Werte aus dem Rahmen fallen, nehme das Herzinsuffizienz-Zentrum sofort Kontakt mit dem Hausarzt auf, der dann die Therapie anpasse. Patienten hätten so auch einen engeren Kontakt zu ihrem Hausarzt.

"Die regelmäßige Messung unterstützt den Therapeuten und stärkt auch die Compliance der Patienten", ergänzte Dr. Oliver Lehmkühler vom Cluster MedizinTechnik.NRW in Nordrhein-Westfalen.

Die Implantation von CardioMEMS inklusive Hard- und Software kostet derzeit 12.000 Euro erläuterte Kardiologin Aßmus auf der Pressekonferenz, hinzu komme auf der Kostenseite die telemedizinische Überwachung, die bislang noch nicht im EBM abgebildet ist.

Kann das System Kosten einsparen?

Eine Krankenhauseinweisung koste dagegen 3000 bis 4000 Euro. Je Implantation müssten also etwa vier Klinikaufenthalte vermieden werden, um bei den Kosten mit dem System günstiger zu liegen. Mehr als 400.000 Klinikeinweisungen gibt es hierzulande derzeit jährlich wegen Herzinsuffizienz.

In den USA sei ein Klinikaufenthalt doppelt so teuer, hier falle die Rechnung etwas anders aus. In Deutschland wird jetzt in der MEMS-HF-Studie untersucht, wie die Effekte des Telemonitoring-Systems sind.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikation und Datenschutz

Neue Perspektiven für IT in der Praxis

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“