Kurz vorm Konkurs: Gläubiger helfen oft bei der Sanierung mit

NEU-ISENBURG (juk). Die Pleite kommt bei den meisten Ärzten schleichend. Praxisinvestitionen, Regresse und private Fehler zehren über Jahre hinweg das Finanzpolster auf. Einen Weg aus der Insolvenz bietet die außergerichtliche Sanierung, die Ärzten in der Regel mehr Spielraum lässt als das Insolvenzverfahren.

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Unbedarftheit wurde beispielsweise einem Facharzt aus Nordrhein-Westfalen zum finanziellen Verhängnis. Für Dr. Christiane van Zwoll, Rechtsanwältin und Insolvenzrecht-Expertin aus Köln, ist dieser Mediziner typisches Beispiel dafür, wie unprofessionell manche Ärzte in ihre Selbstständigkeit starten - und dabei Fehler machen, die sich später bitter rächen.

Neuer Partner musste auch für Altschulden haften

Nach einem Studium in Harvard und der Facharztausbildung wollte der Kollege in eine Gemeinschaftspraxis einsteigen. Nach nur einem Treffen mit den zukünftigen Partnern und einem offenbar nur flüchtigen Blick auf die Praxiszahlen war der Vertrag schon unterschrieben. "Was der Arzt nicht wusste, war, dass er auch für die Altschulden der Praxis mithaftet", erzählt van Zwoll. Innerhalb kürzester Zeit hatte der Mann 2,5 Millionen Euro Schulden angehäuft.

Das bittere Erwachen kommt meistens dann, wenn die Hausbank wegen bevorstehender Zahlungsunfähigkeit mit der Kündigung von Krediten droht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht dann Zahlungsunfähigkeit, wenn mehr als zehn Prozent der fälligen Verbindlichkeiten nicht innerhalb von drei Wochen gezahlt werden können und nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke kurzfristig fast vollständig geschlossen werden kann.

Für Praxischefs ist der Gang zum Insolvenzgericht nicht zwingend.

Rechtlich besteht für Ärzte als Freiberufler und auch als Partner einer Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft keine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Anders sieht die Rechtslage bei Medizinischen Versorgungszentren aus, die häufig als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) firmieren und deshalb nach dem Gesetz verpflichtet sind, rechtzeitig Insolvenz zu beantragen.

Um aus der Schuldenfalle wieder herauszukommen, ist das Insolvenzverfahren nicht der einzige Weg, der von Ärzten beschritten werden kann. Rechtsanwältin Christiane van Zwoll versucht grundsätzlich, die Gläubiger zunächst für eine außergerichtliche Sanierung zu gewinnen - bislang nach eigener Aussage immer mit Erfolg. Der Grund dafür ist einfach: "Die Banken oder Gläubiger wissen, dass sie im Insolvenzverfahren eher weniger Geld bekommen als bei der außergerichtlichen Sanierung", so van Zwoll. Denn beim Insolvenzverfahren fallen wegen der Beteiligung des Gerichts wesentlich höhere Kosten an.

Alle Gläubiger müssen bei der Sanierung ins Boot

Ziel der außergerichtlichen Sanierung ist es, alle privaten und geschäftlichen Gläubiger in ein Boot zu holen, um den Schuldner möglichst innerhalb von sechs Jahren aus der Verschuldungsfalle zu holen. Dafür verzichten die Gläubiger in der Regel auf einen Teil ihrer Forderungen, "teilweise wurde bei Banken schon ein Forderungsverzicht von 75 Prozent ausgehandelt", erzählt van Zwoll. Der Arzt verpflichtet sich im Gegenzug, einen bestimmten Teil seines Einkommens an die Gläubiger abzuführen.

Der Vorteil der außergerichtlichen Sanierung gegenüber dem Insolvenzverfahren: Sie wird nicht öffentlich im Internet bekannt gemacht. Van Zwoll: "Das belastet viele schon psychologisch sehr stark."

Außerdem steht der Schuldner nicht unter der strengen Aufsicht eines Treuhänders. Und er muss nicht den gesamten pfändbaren Teil seines Einkommens an die Gläubiger abführen. Denn "die Motivation, mehr Geld zu verdienen, ist in diesen Fällen gleich null", so Expertin van Zwoll.

Der kurz vor der Pleite stehende Facharzt aus NRW hat die außergerichtliche Sanierung genutzt, um sich von seinen Schulden zu befreien. "Er hat sein Hab und Gut versilbert und den Vertragsarztsitz mit der Praxis verkauft", erzählt Dr. Christiane van Zwoll. Am Ende zahlte er an seine Gläubiger 170 000 Euro, um die 2,5 Millionen Euro an Verbindlichkeiten loszuwerden.

Außergerichtliche Sanierung und Insolvenzverfahren

  • Für die außergerichtliche Sanierung ist - im Gegensatz zum Insolvenzverfahren - kein vorheriger Antrag bei Gericht notwendig. Bei dieser Form der Entschuldung wird nach Analyse der Praxis und der privaten Vermögensverhältnisse ein Sanierungskonzept aufgestellt, dem freilich alle Gläubiger zustimmen müssen. Minderheiten von Gläubigern können nicht, wie beim gerichtlichen Verfahren, überstimmt werden. Um Einigung zu erreichen, werden in dem Konzept in der Regel auch Alternativszenarien aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass die Zustimmung zur Sanierung günstiger ist als ein prozentualer Anteil am Erlös aus der Verwertung des Vermögens des Arztes nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Für die außergerichtliche Sanierung gibt es, anders als fürs Insolvenzverfahren, keine gesetzlichen Regeln. Auch ist sie kostengünstiger, da keine Gerichtskosten oder Verwaltervergütung anfallen. Zudem haben es die Parteien in der Hand, den Ablauf der Sanierung autonom zu gestalten.

  • Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss bei Gericht beantragt werden. Es bietet sich an, wenn mit den Gläubigern keine Einigung über einen Sanierungsplan erzielt wurde. Vorteil des Verfahrens: Gegen den Schuldner kann keine Zwangsvollstreckung mehr betrieben werden. Nach sechsjähriger Wohlverhaltensphase unter Aufsicht eines Treuhänders ist es möglich, eine Restschuldbefreiung zu erlangen. Für selbstständige Ärzte besteht außerdem die Möglichkeit, über einen Insolvenzplan eine Schuldenbereinigung zu erreichen. Dafür ist - wie beim außergerichtlichen Sanierungsplan - das Einverständnis aller Gläubiger nötig. Die dem Planangebot widersprechenden Gläubiger können jedoch gemäß Insolvenzordnung überstimmt werden. Beim Insolvenzplan ist die Schuldbefreiung oft schneller erreicht als im normalen Insolvenzverfahren. (juk)
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