Bundesfinanzhof

Erbschaftsteuer ist verfassungswidrig

Den obersten Finanzrichtern gehen die Vergünstigungen für geerbtes Betriebsvermögen zu weit. Sie halten die Erbschaftsteuer daher für verfassungswidrig. Nun soll das Bundesverfassungsgericht die Sache klären.

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Erklärung für eine verfassungswidrige Steuer.

Erklärung für eine verfassungswidrige Steuer.

© Jens Büttner / dpa

MÜNCHEN (mwo). Der Bundesfinanzhof (BFH) in München stellt die derzeitige Erbschaftsteuer grundlegend infrage.

In einemam 10. Oktober veröffentlichten Grundsatzbeschluss vom 27. September 2012 rügen die obersten Finanzrichter die zu weit reichenden Vergünstigungen für Betriebsvermögen; diese führten zu einer "das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung".

Sie legten das Erbschaftsteuergesetz daher dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

Ärzte, die in absehbarer Zeit ein von den derzeitigen Regelungen begünstigtes Erbe hinterlassen werden, sollten daher überlegen, ob sie den zu erwartenden Neuregelungen durch eine Schenkung zuvorkommen können.

Dagegen sollten Ärzte, die jetzt eine Erbschaft ohne begünstigtes Betriebsvermögen antreten, gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen, um gegebenenfalls von kommenden Gesetzeskorrekturen zu profitieren.

Die Vergünstigungen für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften wurden 2009 mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingeführt, weil die Kinder bei der Übernahme eines elterlichen Unternehmens die Erbschaftsteuer häufig nicht zahlen konnten, ohne den Betrieb selbst zu gefährden.

Rückwirkende Unwirksamkeit unwahrscheinlich

Die Vergünstigungen sollten den Übergang erleichtern und so die Arbeitsplätze sichern. Doch sie gingen weit über dieses Ziel und damit auch "über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinaus", kritisiert der BFH.

Die Gemeinwohlbindung des begünstigten Erbes werde nicht ausreichend gesichert. So spiele der Umfang der Erbschaft und verfügbarer liquider Mittel keine Rolle.

Nach neueren Gutachten sei nicht davon auszugehen, "dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde".

Zwar seien die Vergünstigungen teilweise an den Erhalt der Arbeitsplätze gebunden, nicht allerdings bei kleineren Betrieben mit bis zu 20 Arbeitsplätzen. Diese machten aber 90 Prozent aller Betriebe aus.

Besonders scharf kritisiert der BFH die Gestaltungsmöglichkeiten der Betriebsinhaber. Sie könnten nicht betriebsnotwendiges Vermögen dem Betrieb zuführen und so auch Privatvermögen der vollen Besteuerung entziehen. Das gelte etwa für Wertpapiere, Beteiligungen und vermietete Grundstücke.

Insgesamt führten die Vergünstigungen dazu, dass Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften zur Ausnahme werde.

Dies sei "mit den Anforderungen an eine gleichmäßige Besteuerung nicht vereinbar". Vor diesem Hintergrund setzten die obersten Finanzrichter den konkreten Streitfall aus und legten ihn dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

Aber auch wenn die Karlsruher Richter die Kritik teilen, gilt es nach Einschätzung von Experten als unwahrscheinlich, dass sie die Erbschaftssteuer rückwirkend für insgesamt unanwendbar erklären.

Az.: II R 9/11

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