Leitartikel

Lebensversicherung: Verluste sind sicher

Weniger Zinsen, veränderte Bewertungsprinzipien. Die Reform der Lebensversicherung sichert den Unternehmen die Existenz, macht aber die Lebensversicherung unattraktiv. Besonders ärgerlich: Auch Altverträge werden entwertet.

Von Herbert Fromme Veröffentlicht:
Reform ein Geldschlucker? Die Gesetzesänderung für Lebensversicherungen trifft vor allem die Kunden.

Reform ein Geldschlucker? Die Gesetzesänderung für Lebensversicherungen trifft vor allem die Kunden.

© fotomek/fotolia.com

Die deutschen Versicherer haben sich durchgesetzt. Am Freitag hat der Bundesrat nach dem Bundestag das Lebensversicherungs-Reformgesetz beschlossen.

Es enthält wichtige Entlastungen für die Branche. Außerdem gibt es Regeln, die auf den ersten Blick gegen die Interessen der Assekuranz gehen. Beim zweiten Hinschauen stellt sich aber heraus, dass sie mit dem Gesetz sehr gut leben kann.

Am wenigsten umstritten ist der Beschluss, ab Januar 2015 den höchstens erlaubten Garantiezins von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent zu senken. Die Absenkung gilt nur für neue Verträge.

Ab 2015 dürfen die Versicherer ihren Kunden nicht mehr als 1,25 Prozent für die gesamte Laufzeit zusagen. Bei bestehenden Verträgen gelten weiterhin die bei Abschluss versprochenen Garantiezinsen, die in der Spitze in den 1990er Jahren vier Prozent erreichten.

Wessen Vertrag demnächst ausläuft, verliert

Der Kern des Gesetzes ist die Änderung der Regeln zu den Bewertungsreserven. Sie wird Lebensversicherungskunden, deren Verträge in den kommenden ein, zwei Jahren auslaufen, tausende von Euro kosten. Es gibt Fälle, in denen die Summen deutlich zweistellig sind.

Seit 2008 gilt die Regel, dass ausscheidende Kunden die Hälfte der auf sie entfallenden Bewertungsreserven erhalten müssen. Das sind Buchgewinne, die bei Kapitalmarktschwankungen entstehen.

2013 mussten die Versicherer Kunden mit ablaufenden oder gekündigten Verträgen deshalb drei Milliarden Euro zusätzlich auszahlen.

Dieses Geld bleibt künftig in den Unternehmen. Das sei gerechter gegenüber den verbleibenden Kunden, hatte die Versicherungswirtschaft argumentiert.

Nur hinter vorgehaltener Hand geben Branchenmanager zu, dass es um etwas ganz anderes geht - um die Stabilisierung der Gesellschaften, die durch die niedrigen Zinsen und die hohen Zinsgarantien ziemlich unter Druck sind. Jede Milliarde, die an Kunden fließt, fehlt als Risikopuffer.

Die Branche argumentiert, sie sei unverzichtbar, weil nur durch sie die Gesellschaft privat für das Alter vorsorgen könne, was angesichts des demografischen Wandels unabdingbar sei.

Wenige Verträge werden zur Altersvorsorge genutzt

Aber die These von der besonderen sozialen Bedeutung der Versicherer ist kaum zu halten. Die Versicherungswirtschaft spielt in der Altersversorgung eine Rolle, ja, aber das tun Versorgungswerke, Bausparkassen, Banken und Fondsgesellschaften auch.

Die Deutschen haben 92 Millionen Lebensversicherungen. Aber davon sind mindestens 17 Millionen Risikopolicen, die zur Absicherung der Familie oder eines Kredits abgeschlossen werden.

Bei 75 Millionen Verträgen geht es um das Sparen. Bei einem Drittel handelt es sich um fondsgebundene Policen. Bleiben rund 50 Millionen "klassische" Verträge mit Garantiezins und langer Laufzeit - und nur die betrifft die jetzt verabschiedete Reform.

Die Hälfte der Kunden hält diese Verträge nicht bis zum Ende durch, sondern kündigt vorzeitig mit hohen finanziellen Einbußen.

Von den übrigen optieren bei Fälligkeit weniger als 20 Prozent für eine Privatrente - der Rest lässt sich die Summe auf einen Schlag auszahlen. Das heißt: Nur ein Bruchteil der abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge führt auch zu einer privaten Altersvorsorge.

Die Lebensversicherung ist ein Sparprodukt, nicht mehr und nicht weniger. Es ist steuerlich begünstigt, aber wegen der hohen Abschlusskosten vergleichsweise teuer und außerdem unflexibel.

Die Tatsache, dass Versicherer auch Schutz gegen den Todesfall oder die Berufsunfähigkeit organisieren sowie lebenslange Renten auszahlen, ändert daran nichts. Es ist fast immer effektiver, die Risikoabsicherung vom eigentlichen Sparprozess zu trennen.

Aber viele Deutsche haben solche Verträge, und eine ganze Reihe fühlen sich jetzt durch die wegfallende Sonderausschüttung getäuscht. Eigentlich hatte die große Koalition Gegenleistungen der Versicherer angekündigt.

Kern der Reform ist die Sicherung der Assekuranz

Doch davon ist nicht viel geblieben. So führt das Gesetz eine Ausschüttungssperre für Dividenden ein. Aber die große Mehrheit der deutschen Lebensversicherer trifft das nicht.

Sie haben sogenannte Beherrschungsverträge mit ihren Konzernobergesellschaften abgeschlossen - und für solche Konstruktionen gilt der Dividendenstopp nicht.

Auch von der Offenlegung der Provisionen durch den Vermittler, die im ersten Entwurf stand, ist nicht viel geblieben in der Endfassung.

Die Lebensversicherer haben eine machtvolle Lobby, sie haben sich in Kernpunkten in Berlin erneut durchgesetzt. Die ganze Reform ist deshalb rückwärtsgewandt - es geht nur darum, die Unternehmen vor den Einschlägen der Krise zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie die Garantien der Altverträge erfüllen können.

Bei der Entwicklung eines modernen, vorwärtsgewandten Systems der privaten Altersvorsorge hilft die Reform nicht.

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