Soli ade?

Steuerzahlerbund spricht von "Mogelpackung"

Mehrbelastung kleiner Einkommen oder sogar weitere Steuererhöhungen? Eines ist schon jetzt abzusehen: Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist wohl kaum abgabenneutral möglich.

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Wird der Solidaritätszuschlag auf die Einkommenssteuer umgelegt? – Wenn ja, dann entgehen dem Bund Milliarden-Beträge, die er sich ganz sicher woanders herholen wird.

Wird der Solidaritätszuschlag auf die Einkommenssteuer umgelegt? – Wenn ja, dann entgehen dem Bund Milliarden-Beträge, die er sich ganz sicher woanders herholen wird.

© m.schuckart / Fotolia.com

BERLIN. Rund 15 Milliarden Euro spülte voriges Jahr der seit 1991 mit kurzer Unterbrechung und wechselnden Sätzen erhobene Solidaritätszuschlag in die Kassen des Bundes. Umstritten war die Sonderabgabe immer.

Bis heute wird ihre Verfassungsmäßigkeit diskutiert. Über 80 Prozent der West-Bürger und knapp 60 Prozent der Bürger in den neuen Bundesländern sind nach einer Umfrage des Marktforschers YouGov vom Herbst vorigen Jahres für die Abschaffung des Soli.

Nun hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Soli zum Auftakt der Bund-Länder-Gespräche über eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zur Disposition gestellt.

Statt der 5,5-prozentigen Sonderabgabe, die ausschließlich dem Bund zugutekommt, könnte das Geld über Einkommens-, Körperschafts- und Kapitalertragssteuern anteilig auch Ländern und Gemeinden zufließen.

Damit hat Schäuble den klammen Länderfürsten schon mal signalisiert, zu Zugeständnissen bereit zu sein und die eigene Verhandlungsposition gestärkt - nicht zuletzt auch im Hinblick auf das anstehende Gesetzgebungsverfahren zum Abbau der kalten Progression.

Neue Haushaltslöcher

Ob die Umlage des Soli auf reguläre Steuerarten jedoch für den Steuerzahler am Ende wirklich so neutral ausfallen wird, wie derzeit kommuniziert, kann bezweifelt werden.

So rechnete erst kürzlich das Institut der deutschen Wirtschaft (IdW) vor, dass der Shift auf Einkommens- und Körperschaftssteuer tiefe Löcher in den Bundeshaushalt reißt. 42,5 Prozent der Einkommenssteuer stehen den Ländern zu, 15 Prozent den Gemeinden.

Die Körperschaftssteuer steht Bund und Ländern jeweils hälftig zu. Laut IdW entgingen dem Bund durch den Soli-Shift zwischen 8,8 Milliarden (2015) und 10,0 Milliarden (2018) Euro.

Neue Kredite wären nötig - und damit das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel hinfällig, ab 2015 "einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung" aufzustellen - oder eben Steuererhöhungen.

Bund macht mit Soli "Kasse"

Unverblümt nennt der Bund der Steuerzahler (BdSt) die Schäuble-Pläne "eine Mogelpackung" und warnt davor, die Ergänzungsabgabe Soli über die Einkommenssteuer zum "dauerhaften Bestandteil des Steuertarifs" zu machen.

Damit würden vor allem niedrige Einkommen belastet. Denn bisher musste etwa ein Single mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von weniger als 1445 Euro keinen Soli abführen.

Der Grundfreibetrag zur Einkommenssteuer greift jedoch erst ab 696 Euro Brutto im Monat.

Zwar wäre mit der zusätzlichen steuerlichen Belastung bisher vom Soli befreiter Einkommen eine gewisse Überkompensation der Soli-Abschaffung denkbar.

Doch erscheint ein derart unsolidarisch auf Kosten von Geringverdienern angelegtes Unterfangen in einer Koalition zweier Volksparteien eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher, auch in dieser Perspektive: Steuererhöhungen.

Gegenfinanzierung unbestritten

Auch der Steuerzahlerbund weist auf das Gewicht hin, das der Zuschlag zugunsten des Aufbaus Ost für den Bund hat: "Mit den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag macht der Bund ordentlich Kasse", so BdSt-Präsident Reiner Holznagel.

Allein in den Jahren 2005 bis 2019 werde er "wahrscheinlich 211 Milliarden Euro aus dem Soli eingenommen und nur 156 Milliarden Euro für den Solidarpakt II ausgegeben" haben.

Selbst seitens der Opposition ist die Notwendigkeit einer Gegenfinanzierung der Soli-Abschaffung daher unbestritten: Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch fordert rundheraus Steuererhöhungen.

Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, erklärte, der Soli "sollte in irgendeiner Form erhalten bleiben". Dabei sei es egal, ob er "in diverse Steuern integriert, oder auf andere Art anders verteilt werde". (cw)

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