Schrottanlagen

So kommen Verbraucher raus

Wenn Verträge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten, können sie auch Jahre später noch widerrufen werden. - Ein starker Hebel für Verbraucher, die einen Ausweg aus unliebsam gewordenen Anlagen suchen.

Von Heike Jablonsky Veröffentlicht:
Ein Blick in die Widerrufsbelehrung kann sich für Verbraucher bezahlt machen, wenn sich darin falsche Formulierungen befinden.

Ein Blick in die Widerrufsbelehrung kann sich für Verbraucher bezahlt machen, wenn sich darin falsche Formulierungen befinden.

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CELLE. Widerrufsbelehrungen sind nicht nur in klassischen Verbraucherverträgen wie Ratenkrediten enthalten.

Sie finden sich auch in Darlehensverträgen, Fondsbeteiligungen - wie Schiffsfonds, Filmfonds oder Immobilienfonds -, Baukrediten und Lebensversicherungen.

Dabei gelten für die Belehrung strikte Formvorgaben, die - sind Fehler enthalten - Verbrauchern im Nachhinein helfen können.

Zunächst einmal gilt, dass die Widerrufsbelehrung in Textform erfolgen muss. Sie muss darüber belehren, dass der Widerruf an keine zusätzlichen Voraussetzungen gebunden ist, ohne Angabe von Gründen erfolgen kann, aber auch vom Widerrufenden in Textform zu erfolgen hat.

Außerdem muss der Verbraucher ausdrücklich darüber belehrt werden, dass schon die rechtzeitige Absendung des Widerrufs die vorgegebene Frist wahrt. Gerade die Fristbelehrung enthält aber häufig Fehler.

Genaue Frist genannt?

So ist die Formulierung "die Frist beginnt frühestens mit dieser Belehrung" bereits fehlerhaft, weil keine Aussage darüber getroffen wird, wann die Frist zu laufen beginnt.

Auch der Hinweis "Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder das Darlehensangebot zur Verfügung gestellt wurde" ist missverständlich.

Sie erweckt den Eindruck, die Frist laufe bereits mit Übermittlung des Vertragsantrages der Bank, der die Widerrufsbelehrung enthält, unabhängig von der Annahme des Angebotes (BGH, Az.: XI ZR 33/08).

Solche Fehler haben juristische Folgen, allerdings für das Unternehmen: Wenn Verträge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten, ist die Frist zum Widerruf nicht wirksam in Gang gesetzt worden.

Im Klartext bedeutet dies, dass diese Verträge auch noch Jahre später widerrufen werden können. Dadurch bietet sich Verbrauchern eine Möglichkeit, sich von unrentablen Fonds und Schrottimmobilien auf elegante Weise zu lösen oder Darlehen umzuschulden:

Darlehensverträge

Bei Darlehensverträgen bietet sich die Möglichkeit der Umschuldung. Dies ist besonders interessant, wenn Darlehensverträge mit wesentlich höheren Zinssätzen abgeschlossen worden sind.

In der noch bestehenden Niedrigzinsphase können diese durch Darlehensverträge mit wesentlich niedrigeren Zinszahlungen ersetzt werden.

Im Falle eines Widerrufs entfallen Vorfälligkeitsentschädigungen, bei Verbraucherdarlehen mit Restschuldversicherungen ist der auf die Restschuldversicherung bezahlte Betrag bei einem Widerruf ebenfalls zurückzuerstatten.

Immobiliendarlehen

Bei Widerruf eines Immobiliendarlehens kann dieses durch einen Neuabschluss ersetzt werden. So kann es sich durchaus lohnen, einen Immobiliendarlehensvertrag zu widerrufen, um einen neuen abzuschließen.

Beispiel: Bei einem Immobiliendarlehensvertrag von unterstellten 200.000 Euro hat eine Verringerung des Zinssatzes um nur zwei Prozent den Gegenwert von jährlich 4.000 Euro.

Bei einer Restlaufzeit des Kredites von unterstellten sechs Jahren errechnet sich daraus eine Zinsersparnis in Höhe von 24.000 Euro.

Unter engen Voraussetzungen kann auch bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder einer Wohnung bei Widerruf des Darlehensvertrages die Immobilie zurückgegeben werden.

Sodann ist sowohl der Darlehensvertrag als auch der notarielle Kaufvertrag rückabzuwickeln.

Fondsbeteiligungen

Fondsbeteiligungen stellen häufig eine Säule der Altersversorgung dar. Bei Fondsbeteiligungen, die sich im Nachhinein als unrentabel herausgestellt haben, kann sich bei Einlagen, die durch Darlehen teilweise oder ganz finanziert worden sind, dies ebenfalls positiv auswirken. In diesen Fällen liegt ein verbundenes Geschäft vor.

Wird das Darlehen infolge fehlerhafter Widerrufsbelehrung widerrufen, erhält der Anleger von der Bank sein gesamtes Eigenkapital abzüglich der Barausschüttungen gegen Übertragung des Fondsanteils zurück und kann eine Freistellung von der Rückzahlung der Restschuld des Darlehens verlangen.

Insbesondere bei eingebundenen Fremdwährungsdarlehen kann sich ein Widerruf lohnen.Teilweise wurden mit den Anlagen Teilfinanzierungen eines Darlehens getätigt.

Die Raten für das Darlehen wurden meistens direkt durch den Fonds aus Ausschüttungen bedient, sodass dem Anleger meist gar nicht bekannt war, dass ein Darlehen in Anspruch genommen worden ist.

Davon erfährt er in der Regel erst, wenn es Probleme gibt, da er für die Rückzahlung im Ernstfall haften muss. Dies ist beispielsweise bei Schiffsfonds und Medienfonds häufig der Fall.

Auch der Kreditvertrag und die Fondsbeteiligung gelten rechtlich als verbundenes Geschäft. Bei einem wirksamen Widerruf erhält der Anleger von der Bank alle bisher gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen plus sein eingesetztes Eigenkapital zurück.

Im Gegenzug überlässt er der Bank den Fondsanteil.

Selbst bei bereits abgewickelten Verträgen lohnt sich eine Überprüfung. Wurde zum Beispiel im Rahmen einer Ehescheidung ein Haus verkauft und das Darlehen vorzeitig zurückgezahlt, so fiel in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung an.

Bei fehlerhaften Widerspruchsbelehrungen kann das Darlehen noch widerrufen werden mit der erfreulichen Folge, dass die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung erstatten muss.

Heike Jablonsky ist Fachanwältin für Arbeits- und Medizinrecht in Celle, www.ra-jablonsky.de

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