Leitartikel zur E-Card

Irrwitzige Debatte um ein Foto

Aufregung um die elektronische Gesundheitskarte: Ist sie nicht rechtssicher, weil die Kassen nicht geprüft haben, ob das eingeschickte Foto auch tatsächlich den Versicherten zeigt? Diese Debatte ist grotesk - und schadet mehr als dass sie nutzt.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Stimmt das Foto mit dem Versicherten überein? Laut Gesundheitsministerium sollen das die Praxen prüfen.

Stimmt das Foto mit dem Versicherten überein? Laut Gesundheitsministerium sollen das die Praxen prüfen.

© dpa

Dass ausgerechnet ein Foto der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) juristisch das Bein stellen soll - das hätte wohl kaum jemand vermutet. Seit Jahren zieht sich das IT-Großprojekt nun schon hin.

Obwohl Auslöser für die Idee zu der Karte ein Arznei-Skandal war, hagelte es immer wieder Kritik vonseiten der Ärzteschaft und auch vonseiten der Patientenvertreter.

Dabei schlug Ulla Schmidt - damals Gesundheitsministerin - bereits im Sommer 2001, als klar wurde, dass teilweise unsachgemäßer Gebrauch des CSE-Hemmers Cerivastatin zu schweren Nebenwirkungen geführt hatte, einen Arzneimittelpass auf einer Chipkarte als Lösung für mehr Arzneimittelsicherheit vor.

Start für 2006 geplant

Die Idee wurde auch tatsächlich in Gesetz gegossen und die Karte sollte - so der ursprüngliche Plan - im Januar 2006 flächendeckend zum Einsatz kommen. Ein Plan, der von Beginn an nicht zu halten war.

Zum Teil hakte es an der Technik, zum Teil aber auch daran, dass man diejenigen, die mit der Technik arbeiten sollten, nicht von Beginn an mit ins Boot geholt hatte.

Vieles von der Kritik gerade aus den Reihen der Ärzteschaft war mehr als berechtigt. Denn in den ersten Testläufen zeigte sich direkt, dass die eGK noch nicht an allen Stellen gut durchdacht und praxistauglich war - für Ärzte und Patienten.

Zu aufwändig gestaltete sich die Eingabe der PIN, und das einzelne elektronische Signieren von Rezepten kostete die Praxen einfach zu viel Zeit.

Da war es gut, dass die Bundesregierung von dem ehemals festen Zeitplan abwich und eine stufenweise Einführung der eGK in Angriff nahm. Ein Prozess, der noch immer andauert. Denn erst Ende 2011 begannen die Kassen mit der Ausgabe der neuen Karten an die ersten Versicherten.

Einer Karte, die bislang nicht mehr als die alte Versichertenkarte kann. Es ist daher definitiv ein Prozess, der auch weiterhin kritisch von denen begleitet werden sollte, die die Karte mit Leben füllen sollen und um deren Daten es geht.

Ein Sicherheitsrisiko, das keines ist

Aber kann dabei eine Debatte um das Foto auf der eGK, wie sie gerade ein Bericht im "Hamburger Abendblatt" losgetreten hat, zielführend sein? Wohl eher nicht.

Hier wird - so zumindest wirkt es auf den Außenstehenden - mit Biegen und Brechen versucht, ein nicht nachvollziehbares Sicherheitsrisiko aufzubauschen, um dem Projekt Gesundheitskarte zu schaden.

Wem aber eigentlich geschadet wird, das sind die kritischen Stimmen, die tatsächlich auf ernst zu nehmende Schwachstellen hinweisen. Denn wenn die eGK wegen Kleinigkeiten immer wieder in die negativen Schlagzeilen kommt, setzt bald der Ermüdungseffekt ein: Wenn es einmal wirklich ernst wird, schaut keiner mehr hin.

Das Sicherheitsproblem, das die Rechtsabteilung der KBV in einem juristischen Vermerk aufwirft - der übrigens ein halbes Jahr alt ist und bislang unter Verschluss gehalten wurde - scheint auch ein wenig an den Haaren herbeigezogen zu sein.

Weil die Kassen nicht bei jedem Versicherten prüfen, ob das Lichtbild, das sie von ihm erhalten, auch tatsächlich den Versicherten abbildet, soll die Karte nicht mehr als Identitätsnachweis zu gebrauchen sein.

Ein falsches Foto bringt Versicherten nichts

Es soll noch schlimmer kommen: Das Papier impliziert, dass dadurch die künftig auf der Karte gespeicherten Daten gefährdet sein könnten.

Wenn letzteres der Fall sein sollte, dann müsste der Versicherte ja höchst persönlich dazu beigetragen haben, dass eine andere Person seine Gesundheitsdaten einsehen kann. Denn bislang ist das Verfahren immer noch so, dass der Versicherte angeschrieben und um ein Foto gebeten wird.

Dieses schickt er entweder auf zugehörigem Formular an die Kasse zurück oder stellt es der Kasse elektronisch zur Verfügung. Für den elektronischen Weg erhält er aber ebenfalls individuelle Zugangsdaten zu einem Webportal der Kasse. Damit also ein anderes Foto als das des Versicherten auf die Karte kommt, müsste der Versicherte schon selbst mitwirken.

Daran dürften jedoch die wenigsten Versicherten ein Interesse haben - wollen sie sicherstellen, dass sie selbst auch weiterhin in den Genuss ärztlicher Leistungen auf Chipkarte kommen. Findet hier ein Missbrauch statt, geht er also eher auf Kosten der Gemeinschaft der Versicherten, als dass individuelle Gesundheitsdaten gefährdet wären.

Und der Missbrauch wäre auch nur sehr eingeschränkt möglich, eben wegen des Fotos. Ein Weiterverkaufen der Karte an mehrere Personen, wie es früher möglich war, ist dadurch ausgeschlossen.

Protestwelle wäre programmiert

Noch etwas: Von den Versicherten kamen wegen dieses Prozederes bisher noch keine Klagen. Wenn, dann waren sie generell dagegen, dass sich ein Foto auf der Karte befindet, oder lehnten die eGK komplett ab.

Wenn nun aber Versicherte - wie es im KBV-Papier ja zwischen den Zeilen durchscheint - in die Kassengebäude einbestellt werden, um sich wie bei der Erstellung des Personalausweises persönlich zu identifizieren, dann wird es sicherlich einen Aufschrei geben. Denn das bedeutet für die Versicherten einen nicht nachvollziehbaren, zusätzlichen Aufwand.

Für eine Karte, die nur als Berechtigung für Leistungen innerhalb der GKV dient. Und Zugriff auf künftig gespeicherte Gesundheitsdaten hätte auch nur der, der die passende PIN besitzt.

Die eGK ist weder ein allgemeingültiges Ausweisdokument ähnlich dem Personalausweis, noch können bislang elektronisch rechtssichere Signaturen mit ihr geleistet werden, die eine strengere Prüfung oder ein Post-Identverfahren rechtfertigen würden.

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