Gesundheitskarte

Die Fristen sind kaum mehr zu halten

Muss der Gesundheitsminister bei der E-Card wieder einen Gang zurückschalten? Fest steht, Online-Tests und Rollout der Telematikinfrastruktur sind einmal mehr im Verzug. Nun beginnt das Schwarze-Peter-Spiel auf der Suche nach dem Schuldigen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Seit 2006 hängen die Anwendungen der Gesundheitskarte mehr oder weniger in der Dauerwarteschleife.

Seit 2006 hängen die Anwendungen der Gesundheitskarte mehr oder weniger in der Dauerwarteschleife.

© Bernd Thissen / dpa

NEU-ISENBURG. Die Euphorie, die das geplante E-Health-Gesetz seit Jahresbeginn verströmt hat, verpufft gerade wieder. Erst Ende Mai bekundete Gesundheitsminister Hermann Gröhe, nachdem das Bundeskabinett seinen Entwurf für ein "Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen" beschlossen hatte, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun "Tempo" machen werde, "durch klare gesetzliche Vorgaben, Fristen und Anreize, aber auch Sanktionen, wenn blockiert wird".

"Es gibt also viele gute Gründe, künftig Termine einzuhalten, aber keine Ausreden mehr - weder für die Selbstverwaltung noch für die Industrie", so die deutlichen Worte des Ministers. Auch wenn es an einzelnen Stellen Kritik gab, generell wurde das Gesetz von allen Seiten als wichtiger Impuls für die in der Dauerwarteschleife hängende Gesundheitskarte und ihre zugehörige Telematikinfrastruktur (TI) gesehen.

Und nun ein solcher Rückschlag: Die Online-Tests, die im Herbst starten sollten, müssen einmal mehr verschoben werden, wie der gematik Vorsitzende Dr. Thomas Kriedel zuerst auf Nachfrage erklärte. - Mittlerweile liegt auch die offizielle Presseerklärung der Betreibergesellschaft der Telematikinfrastruktur vor.

Zeitplan von Anfang an zu knapp?

Kippt damit das Zuckerbrot-Peitsche-Konzept des Gesundheitsministers? Fest steht, dass die Industrie der gematik Terminverzögerungen bei der Lieferung der Produkte für die TI gemeldet hat. Betroffen sei etwa der Konnektor - das Gerät, das als Router die Verbindung zur sicheren Datenautobahn herstellt und somit die Voraussetzung für alle anderen Anwendungen ist.

Die gematik zeigt sich immerhin optimistisch, dass die fürs dritte Quartal geplanten ersten Online-Test, die in zwei Regionen mit jeweils 500 Ärzten stattfinden sollten, dann ohne weitere Verzögerungen im ersten Quartal 2016 starten können.

Um das hinzubekommen, will sie schauen, wo sie die Test-, Zulassungs- und Lieferprozesse weiter optimieren kann. "Abstriche bei Qualität und Sicherheit wird es jedoch nicht geben", stellt die Betreibergesellschaft der TI klar.

Trotz dieser Bemühungen dürfte der erste wichtige Termin des E-Health-Gesetzes kaum mehr zu halten sein. Zum 1. Juli 2016 sollte die Telematikinfrastruktur so weit fertig sein, dass die Praxen die erste Online-Anwendung, nämlich den Online-Abgleich der Versichertenstammdaten, ausführen können.

Dem sollten dann sukzessive weitere Anwendungen wie die qualifizierte elektronische Signatur oder der elektronische Arztbrief folgen. Dabei hielt Kriedel den Zeitplan des Gesetzes schon damals, als noch ohne Verzögerung geplant wurde, für zu knapp.

"Der Zeitplan lässt keine Auswertung der Erprobungsergebnisse zu. Dabei muss die Erprobung erst einmal zeigen, ob geeignete Lösungen für Praxen und Krankenhäuser entwickelt wurden, bevor ausgerollt werden kann", erklärte er im Juni.

Bei der Frage nach dem Schuldigen für den neuen Verzug schieben sich Selbstverwaltung und Industrie gegenseitig den schwarzen Peter zu. "Augenscheinlich hat die Industrie, die diese Vernetzung vornimmt, an manchen Stellen die Komplexität unterschätzt", sagt Dr. Doris Pfeiffer, stellvertretende Vorsitzende der gematik.

Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) hat hingegen auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" erklärt, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erst Anfang des Jahres mit neuen Sicherheits-Spezifikationen um die Ecke gekommen sei - als die Hardware für die Tests eigentlich schon fertig war.

BMG: Die Sanktionen kommen

Dabei ist es nicht gerade verwunderlich, dass die Selbstverwaltung versucht, aus der Schusslinie zu kommen. Ihr drohen empfindliche Sanktionen, wenn die Telematikinfrastruktur nicht fristgerecht ab 1. Juli 2016 zur Verfügung steht. Der Gesetzentwurf verdonnert Kassen und KBV dazu, dann ab dem Jahr 2017 mit dem Haushaltsvolumen von 2014 auszukommen, von dem zusätzlich ein Prozent abgezogen werden soll.

Und wie eine Sprecherin des BMG klarstellt, erwartet man im Ministerium, dass die Verträge zwischen der gematik und der Industrie eingehalten werden und die TI fristgerecht ausgerollt wird. Das impliziert, dass zumindest eine Frist aus dem E-Health-Gesetz sicher greifen wird: die Sanktionsfrist.

Das unterstreicht auch eine Twitter-Nachricht von Lutz Stroppe, Staatssekretär im BMG. Dort schreibt er, dass der Start der Gesundheits-IT bis Juni nicht infrage gestellt wurde. "Jetzt keine Ausreden." Der Probetrieb solle "dieses Jahr beginnen".

Die gematik sieht das anders: "Es kann nicht sein, dass die Haushalte der beteiligten Körperschaften gekürzt werden, wenn die Industrie die notwendigen Komponenten nicht fristgerecht liefern kann", sagt Kriedel. Für die Selbstverwaltung könnte es damit tatsächlich teuer ausgehen.

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