So geht's

Sprechstunde für Selbstzahler richtig kalkulieren

Wie viel Honorar muss eine Praxis bei der Erbringung von Privatleistungen je Stunde erwirtschaften? Der bedarfsorientierte Ansatz wurde bei einem Workshop der Ärztegenossenschaft Genogyn vorgerechnet.

Von Friederike Krieger Veröffentlicht:
Eine Stunde Arzt-Patienten-Gespräch: Erreicht die Praxis damit Kostendeckung?

Eine Stunde Arzt-Patienten-Gespräch: Erreicht die Praxis damit Kostendeckung?

© Alexander Raths / Fotolia.de

KÖLN. Wenn es um die Festsetzung eines Preises für Selbstzahler-Leistungen geht, ist die Unsicherheit bei niedergelassenen Ärzten groß.

Auf einem Workshop der Ärztegenossenschaft Genogyn Rheinland zeigte der Kieler Unternehmensberater Jan Ackermann von Medical Management Partner, wie Ärzte eine Spezialsprechstunde für Selbstzahler kalkulieren können.

Ackermann erläuterte die Kalkulation anhand der homöopathischen Erstanamnese, der GOÄ-Nummer 30, für die mindestens eine Stunde vorgesehen ist und die 900 Punkte einbringt. "Es muss hier nicht unbedingt um Homöopathie gehen", erläuterte Genogyn-Vorstandsmitglied Dr. Jürgen Klinghammer.

Er praktiziert seit über 35 Jahren als Gynäkologe in Köln. Gut begründet könne ein Arzt über einen analogen Ansatz der Ziffer auch andere ausführliche Anamneseleistungen abrechnen.

Behandlungsvertrag bei Selbstzahler-Leistungen wichtig

Für einen Frauenarzt bieten sich andere Selbstzahler-Leistungen an, wie etwa eine Beratung zur Gewichtsreduktion auf Basis einer genetischen Stoffwechseluntersuchung, Tipps zur Gesundheit im Alter oder Hilfe beim Stressabbau über eine Neurotransmitterbestimmung.

"Wir können das alles erlernen", sagte Klinghammer. "Die Herausforderung ist, diese Leistungen in die Praxis zu integrieren."

Generell sei es bei Selbstzahlerleistungen wichtig, dass der Arzt einen sauberen Behandlungsvertrag aufsetzt, erläuterte Ackermann.

Darin müsse festgehalten sein, zu welchem Thema die Behandlung stattfindet, welche Leistungen erbracht werden und wie das Ganze abgerechnet wird.

GOÄ als Ausgangspunkt

Die GOÄ könne hier nur der Ausgangspunkt sein. "Die jetzige GOÄ stammt von 1996", erklärte Ackermann. "Sie ist nicht an die Inflation angepasst." An einer GOÄ-Novelle wird derweil aber gearbeitet.

Um eine Spezialsprechstunde korrekt zu kalkulieren, müsse der Arzt zunächst seine Kosten ermitteln. Dazu zählen vor allem Praxiskosten wie Ausgaben für Raummiete, Materialien, Geräte und Mitarbeiter.

Aber auch die privaten Ausgaben, etwa für die Lebenshaltung der Familie, Steuerzahlungen und Altersvorsorgeaufwendungen gehörten letztlich mit in die Kalkulation.

In einem Rechenbeispiel kalkulierte Ackermann die Praxiskosten mit 160.000 Euro und die privaten Ausgaben mit 180.000 Euro, insgesamt also 340.000 Euro.

Ausgehend von dieser Summe müsse der Arzt nun seine effektive Arbeitszeit ermitteln. Die Rechnung lautet: 365 Tage abzüglich der Wochenenden, des Urlaubs und möglicher Fortbildungen. In Ackermanns Beispiel bleiben so 211 Arbeitstage übrig.

Der Berater geht davon aus, dass der Arzt 70 Prozent seiner Arbeitszeit mit Patienten verbringt, während die restlichen 30 Prozent für Verwaltungstätigkeiten und Strategiebestimmung vorgesehen sind.

1330 Stunden Arbeitszeit im Jahr

Bezogen auf die 211 Tage widmet der Mediziner seinen Patienten 147,7 Tage im Jahr (211 Tage x 0,7). Diesen Wert multipliziert Ackermann mit der täglichen Anzahl an Arbeitsstunden, in seinem Beispiel sind es neun Stunden pro Tag.

 147,7 mal neun ergibt 1330 Stunden effektive Arbeitszeit mit Patienten im Jahr. Diese Arbeitszeit wird dann mit den Kosten beziehungsweise dem Geldbedarf ins Verhältnis gesetzt.

340.000 Euro geteilt durch 1330 Stunden effektive Arbeitszeit ergibt einen nötigen Umsatz von rund 255 Euro die Stunde.

"Das ist aber nur der Mindestumsatz", gibt Ackermann zu bedenken. Eine Kassensprechstunde, berechnet nach EBM, bringe weniger ein, eventuell nur 120 bis 160 Euro.

"Je nachdem, wie hoch der Anteil der EBM- und der GOÄ-Zeit in der Praxis ist, muss der Arzt bei der Kalkulation der Spezialsprechstunde die EBM-Vergütung überkompensieren", so Ackermann.

Dann müsse die Stunde also teurer als 255 Euro sein, wenn der gegebene Privatbedarf durch die Praxis erwirtschaftet werden soll.

Budget wird oft überschritten

Ein weiterer Faktor, der die Vergütung schmälere, sei die Nichteinhaltung des Budgets im gesetzlichen Bereich. Überschreitungen von bis zu 40 Prozent seien beobachtbar, so Ackermann. Viele Ärzte lägen bei 20 bis 25 Prozent Überschreitung.

Wenn man annehme, dass die Ärzte vier Tage in der Woche für ihre gesetzlich versicherten Patienten da sind, bedeuten 25 Prozent Budgetüberschreitung einen verlorenen Tag pro Woche, der nicht bezahlt würde, rechnet Ackermann vor.

Multipliziert mit 42 Arbeitswochen im Jahr und neun Arbeitsstunden pro Tag, ergebe das 378 Stunden im Jahr. "In dieser Zeit arbeitet man, verdient kein Geld und hat trotzdem Betriebskosten", erklärt Ackermann.

340 Euro pro Stunde gut erreichbar?

Ein Gynäkologe beispielsweise könne nach seinen Beobachtungen bei geeigneter Kombination von Gesprächs- und Untersuchungsleistungen einen durchschnittlichen GOÄ-Umsatz von mindestens 340 Euro die Stunde erzielen. Viele Ärzte lägen je nach Leistung zwischen 400 und 600 Euro.

Die nicht bezahlten 378 Stunden multipliziert mit dem Mindest-Wert von 340 Euro ergeben eine Summe von 128.520 Euro.

"Das ist die Summe, mit der ein Arzt das politische System unterstützt", sagte Ackermann. "Dieser sechsstellige Betrag bezeichnet ein bisher ungenutztes Potenzial."

Durch professionelles Zeitmanagement und die Einrichtung von Spezialsprechstunden für Individualmedizin ließen sich solche GOÄ-Umsätze konfliktfrei erreichen.

Ärzte anderer Fachgruppen können anhand der Praxiskosten und ihres privaten Bedarfs inklusive Steuern und Altersvorsorge entsprechend berechnen, ob sie mit der Erbringung und Abrechnung von Privatleistungen und IGeL auf ihre Kosten kommen.

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