IGeL

So verhalten sich Ärzte richtig

Bei den Individuellen Gesundheitsleistungen gibt es für Ärzte einige rechtliche Fallen. Doch mit einer guten Organisation können sie diese nicht nur umgehen, sondern auch zusätzlichen Praxisumsatz generieren.

Von Nico Gottwald Veröffentlicht:
Eine zu werbliche Patientenansprache auf IGeL-Angebote ist für Ärzte tabu.

Eine zu werbliche Patientenansprache auf IGeL-Angebote ist für Ärzte tabu.

© SP-PIC/fotolia.com

SINDELFINGEN. Viele Ärzte tun sich nach wie vor schwer mit der rechtssicheren Erbringung und Abrechnung von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL).

Nicht selten führen diese Unsicherheiten dazu, dass IGeL ganz aus dem Angebot vieler Praxen verschwinden. Nicht zuletzt, weil auch viele Patienten aktuellen Studien zufolge den IGeL-Angeboten kritisch gegenüber stehen.

Dabei hat inzwischen fast jede Kassenärztliche Vereinigung und Ärztekammer einen eigenen Verhaltenskodex und/oder einen IGeL-Ratgeber verfasst. Doch was ist nach Gesetz und Rechtsprechung wirklich verpflichtend für den Arzt?

Nur zulässige IGeL anbieten

Es muss sich um Leistungen handeln, die entweder notwendig oder aus objektiver, ärztlicher Sicht als empfehlenswert oder zumindest als vertretbar erachtet werden.

Nach Paragraf 11 Abs. 1 der Musterberufsordnung Ärzte (MBO-Ä) verpflichten sich Ärzte mit Übernahme der Behandlung den Patienten gegenüber zur gewissenhaften Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.

Unsinnige, ungeeignete und nutzlose Leistungen darf der Arzt daher dem Patienten nicht anbieten oder erbringen.

Außerdem gilt: Die Grenzen des jeweiligen Fachgebiets und gegebenenfalls weitere Qualitäts- und Qualifikationsanforderungen sind auch bei der Erbringung von IGeL zu beachten.

Nach Paragraf 18 Abs. 8 Nr. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) ist der Patient zudem vor Behandlungsbeginn darüber aufzuklären, dass die von ihm begehrte IGeL nicht von seiner Krankenkasse bezahlt wird und er deshalb die Kosten selber zu tragen hat.

Außerdem muss der Patient vor der Behandlung schriftlich über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung informiert werden. Mit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes wurde diese wirtschaftliche Aufklärungspflicht in Paragraf 630c Abs. 3 BGB gesetzlich verankert.

Gute Aufklärung schützt auch Ärzte

Selbstverständlich ist der Patient auch nach den allgemeinen Regelungen über Nutzen und Risiken der IGeL aufzuklären. Dabei ist darauf zu achten, dass die Aufklärung sachlich und ohne anpreisende Werbung erfolgt; denn Letztere ist dem Arzt nach Paragraf 27 Abs. 3 MBO-Ä untersagt.

Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich zudem eine ausreichende Bedenkzeit für den Patienten.

Diese ist bisher aber weder gesetzlich, noch von der Rechtsprechung vorgeschrieben. Bei IGeL, die nicht dem anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen, muss umfassend über mögliche, anerkannte Alternativen aufgeklärt werden.

Zwingend notwendig ist auch ein schriftlicher Behandlungsvertrag. Diesen verlangt Paragraf 3 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ä nämlich für Leistungen, die von der GKV nicht übernommen werden. Aus dem schriftlichen Behandlungsvertrag ergibt sich dann auch die notwendige, vorherige Zustimmung des Patienten nach Paragraf 18 Abs. 8 Satz 3 Nr. 3 BMV-Ä.

Bei medizinisch nicht notwendigen IGeL, wie etwa Tauglichkeitsuntersuchungen oder kosmetischen Operationen, ist zusätzlich noch Paragraf 1 Abs. 2 GOÄ zu beachten.

Solche Leistungen darf der Arzt nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Patienten erbracht worden sind. In den schriftlichen Behandlungsvertrag sollte daher immer eine Klausel aufgenommen werden, dass der Patient die Leistungserbringung wünscht.

Aus dem Vertrag sollte sich zudem ergeben, dass der Patient aufgeklärt wurde und zwar:

- über den Nutzen und die Risiken der IGeL,

- über die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten und

- darüber, dass die Leistung nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der GKV ist und daher von ihm selbst zu zahlen ist.

Frei in der Preisgestaltung sind Ärzte dabei nicht: Paragraf 1 Abs. 1 GOÄ legt fest, dass sich die ärztliche Vergütung nach der GOÄ richtet, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist, was bei IGeL nicht der Fall ist.

Es gelten daher die allgemeinen Regeln der GOÄ-Abrechnung. Eine Pauschalvergütung ist unzulässig. Dem Patienten ist vielmehr nach Paragraf 12 GOÄ eine detaillierte GOÄ-Rechnung vorzulegen.

Soweit sich für die jeweilige IGeL keine entsprechende Ziffer findet, müssen nach Paragraf 6 Abs. 2 GOÄ Ziffern aus der GOÄ angesetzt werden, die nach Art, Kosten- und Zeitaufwand als gleichwertig angesehen werden können. Eigene Leistungslegenden darf der Arzt nicht verwenden.

Unbestritten erfordert die rechtssichere Erbringung von IGeL einen gewissen organisatorischen Aufwand. Dennoch sollten Ärzte diesen Aufwand nicht scheuen.

IGeL sind eine sinnvolle und für viele Patienten wichtige Ergänzung zur GKV-Behandlung.

Und in Zeiten von engen Honorarbudgets sorgt die verantwortungsvolle Erbringung von IGeL für ein zusätzliches, unbudgetiertes Honorarplus.

Nico Gottwald ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Ratajczak & Partner in Sindelfingen (www.rpmed.de).

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