Bewertungsportale im Internet

Ärzte stehen nicht am Pranger

Bewertungsportale im Web spielen eine immer größere Rolle auch bei der Arztsuche. Eine Analyse zeigt, dass Mediziner dabei bislang überwiegend gute Noten bekommen. Das gilt aber nicht für alle Fachrichtungen.

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Gut, mittel oder schlecht? Im Internet können Patienten ihre Ärzte bewerten. Die Portale gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Gut, mittel oder schlecht? Im Internet können Patienten ihre Ärzte bewerten. Die Portale gewinnen immer mehr an Bedeutung.

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NEU-ISENBURG. Ärzte müssen sich nicht fürchten, in Bewertungsportalen an den öffentlichen Pranger gestellt zu werden. Je häufiger ein Arzt von seinen Patienten bewertet wird, desto positiver fällt insgesamt das Urteil aus.

Dies ist das Ergebnis einer im August abgeschlossenen Analyse von insgesamt 24 Arztportalen und Befragungen, die Professor Martin Emmert und Nina Meszmer vom Lehrstuhl für Versorgungsmanagement an der Universität Erlangen-Nürnberg jetzt im gesundheitspolitischen Nachrichtendienst "ImpliconPlus" veröffentlicht haben.

Portale gewinnen rasch an Bedeutung

Danach gewinnen die Bewertungsportale ausgehend von einem niedrigen Nutzungsniveau rasch an Bedeutung. Ihre Zahl stieg zwischen 2010 und 2014 von 14 auf 25.

Die meisten Treffer wurden für Jameda, Imedo, die Arzt-Auskunft sowie die Weisse Liste dokumentiert. Das Portal DocInsider fiel vom zweiten auf den zehnten Platz zurück.

Bekanntheits- und Nutzungsgrad der Portale sind, wie aus der KBV-Versichertenbefragung hervorgeht, deutlich gestiegen: 2010 nutzten nur sieben Prozent der 6000 befragten Bundesbürger ein Bewertungsportal, 2013 waren es schon 25 Prozent. Überdurchschnittliche Nutzer sind Patienten zwischen 31 und 40 sowie zwischen 61 und 70 Jahren.

Überproportional sind Frauen und solche Menschen vertreten, die intensiver medizinische Leistungen beanspruchen.

Auch die Zahl der Bewertungen steigt: Beispielsweise beim Portal Jameda von 127.000 im Jahr 2012 auf 197.000 im vergangenen Jahr; das ist ein Zuwachs von 51 Prozent. Insgesamt wurden in dem Zwei-Jahres-Zeitraum 318.000 Bewertungen für 79.601 Ärzte von 265.000 Patienten abgegeben.

Hausärzte und Internisten am häufigsten bewertet

Die absolut meisten Bewertungen entfallen naturgemäß auf die großen Arztgruppen Hausärzte und Internisten. Gut jeder Dritte wird im Internet von Patienten bewertet. Hausärzte schnitten dabei etwas besser als Fachärzte ab. Nur fünf Prozent der Bewertungen lagen in der schlechtesten Kategorie.

Die relativ meisten Bewertungen haben Orthopäden, Dermatologen und Gynäkologen, bei denen der bewertete Anteil zwischen 57 und 59 Prozent beträgt.

Die besten Noten erhielten dabei Allgemeinärzte und Praktische Ärzte, eher schlechter schnitten Neurologen/Psychiater, Augenärzte, Orthopäden und Dermatologen ab. Dies ergibt sich sowohl aus Jameda als auch aus der Weissen Liste.

Ältere Patienten bewerten Ärzte durchweg besser als jüngere. Privat Versicherte äußern sich positiver als GKV-Versicherte. Außerdem hat die Anzahl an Bewertungen für deren Ausprägung eine Bedeutung:

Je mehr Bewertungen ein Arzt hat, umso besser fällt die Gesamtbewertung für den betreffenden Arzt aus. Emmert vermutet, dass Ärzte, die Übung im Umgang mit Arztbewertungsportalen haben, zufriedene Patienten zu Beurteilungen auffordern.

Trend auch international zu beobachten

Die überwiegend positiven Beurteilungen seien kein deutsches Phänomen, sondern auch international zu beobachten, so Emmert. Auch in den USA und Großbritannien zeigten Arztbewertungsportale ganz überwiegend eine gute Benotung der Ärzte durch ihre Patienten.

"Ein digitaler Ärztepranger im Allgemeinen kann demnach nicht bestätigt werden", schlussfolgert Emmert.

Etliche Bewertungsportale weisen Freitextfelder aus. Gerade hier befürchten Ärzte Schmähkritik, was im Einzelfall schon zu Gerichtsverfahren geführt hat, die im Ergebnis das Recht auf freie Meinungsäußerung über die persönlichen Schutzrechte der von Kritik betroffenen Ärzten gestellt haben.

Generell müssen Ärzte hier allerdings kein Unheil fürchten. Emmert und seine Kollegen haben 2013 über 3000 Freitextkommentare ausgewertet: Danach sind 80 Prozent der Kommentare als positiv, vier Prozent als neutral und 16 Prozent als negativ einzustufen.

Hausärzte werden dabei positiver bewertet als Fachärzte, diese werden allerdings ausführlicher kommentiert. Die unterschiedlichen Bewertungen können auch darauf zurückzuführen sein, dass Patienten zu ihrem Hausarzt eine längerfristige Beziehung aufgebaut haben.

Kommentare thematisieren häufig Arztkompetenz

Am häufigsten wurde in den Kommentaren die professionelle Kompetenz des Arztes angesprochen: 1874 von 3000 Freitextfeldern. Bei den Hausärzten ist auffällig, wie positiv (jeweils deutlich über 90 Prozent) ihr Einfühlungsvermögen, die für den Patienten aufgewendete Zeit sowie Information und Service beurteilt werden.

Weniger häufig als die Ärzte selbst werden die Praxismitarbeiter bewertet. Aber auch hier überwiegt das positive Urteil mit teils deutlich über 80 Prozent in den Kategorien Freundlichkeit und Service/Unterstützung.

Es zeigen sich aber auch eindeutige Schwächen in der Praxisorganisation. Sowohl bei Hausärzten wie auch bei Fachärzten erscheint vielen Patienten die Wartezeit in der Praxis zu lang; bei Hausärzten ist diese Schwäche mit 44,6 Prozent stärker ausgeprägt als bei Fachärzten (37 Prozent).

Die Wartezeit auf einen Termin ist 29 Prozent der beurteilenden Patienten zu lang - bei Haus- und Fachärzten gleichermaßen.

Die Ergebnisse sollten Ärzte ernst nehmen. Patienten, die Bewertungsportale nutzen, lassen sich zu knapp zwei Dritteln davon auch positiv beeinflussen. Gut die Hälfte der Patienten entscheidet aufgrund der Information aber auch gegen einen Arzt. (HL)

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