Streitfall Smartphone

Generationen-Konflikt im Klinik-Alltag

Das Smartphone ist für die meisten jungen Ärzte zum Standardbegleiter geworden. Sie würden es auch gerne bei der Klinikarbeit nutzen. Doch nicht alle Vorgesetzten teilen die Begeisterung. Die Ärztegenerationen reiben sich.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

ROSTOCK. Der Nachwuchs in den Kliniken kommt, was die Nutzung digitaler Medien angeht, aus einer anderen Welt. In den Kliniken trifft diese auf die eher konservativen Workaholics der Babyboomer-Generation. Missverständnisse sind programmiert.

"Der Jahrgang 2016, der jetzt in die Krankenhäuser gekommen ist, wurde etwa 1993 geboren. Das heißt, diese Bildungselite ist es gewohnt, über elektronische Medien zu lernen, sie ist mit Windows 95 aufgewachsen und hat einen hohen Anspruch an die Weiterbildung", sagte Professor Klaus Hahnenkamp, Direktor der Anästhesiologie der Uni-Medizin Greifswald, vor Kurzem beim Workshop "Fachkräfte oder vernetzte Querdenker - wen braucht die Gesundheitswirtschaft?" auf der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock.

Die Generation Y lebe in einer anderen Welt, als die, die sie gerade führen: die Babyboomer, so Hahnenkamp. Das trennt die Generationen und unterscheidet sie nicht nur im Arbeitsverständnis, sondern auch in der Mediennutzung.

"Was machen unsere jungen Ärzte eigentlich?", fragte Hahnenkamp augenzwinkernd. "Selfies bei der Op? Es gibt schon sterile Plastikhüllen, genannt Steri-Phones, die es erlauben, das Smartphone mit in den OP zu nehmen."

"Kaltes Wasser" gab es nie

Die Babyboomer bestimmen bis heute die Werte und das Anreizsystem im Gesundheitswesen, so Hahnenkamp. Andererseits hätten die Babyboomer eine Generation erzogen, der es an Bereitschaft fehle, ins kalte Wasser zu springen, weil es für sie das kalte Wasser eben nie gegeben habe. "Die Arbeit wird ans Leben angepasst, nicht umgekehrt."

Für die jungen Ärzte sei er, was die Medienkompetenz angeht, denn auch bestenfalls der Silversurfer auf dem Weg zum Abgehängten von der digitalen Entwicklung, sagte Hahnenkamp.

Smartphone als Teil des Körpers

Das sah der Theologe und Medienpädagoge Professor Roland Rosenstock von der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald ähnlich. Er erklärte, dass die jungen Ärzte nicht nur eine viel größere Affinität zur digitalen Welt mitbrächten, sondern auch schon früh Ablehnung gegenüber Computer und Smartphone kennengelernt hätten. "Als Kinder und Jugendliche haben sie geradezu eine Intimität zum Smartphone entwickelt", so Rosenstock in seinem Vortrag.

"Es gilt heute vielen Jugendlichen praktisch als Teil des Körpers. Wenn es fehlt, bricht Stress aus." Dem entgegen steht, dass die medienkritischen Eltern der Generation Y in die Schulen und Universitäten als Lehrende eingezogen sind. "Und das ist unser Problem", sagte Rosenstock. "Nicht nur die Krankenhäuser haben sich nicht verändert. Auch die Universitäten und Fachschulen nicht."

Wenn die digitale Patientenversorgung und die, die sie nutzen, in die Krankenhäuser einziehen sollen, dann müssen sich die Krankenhäuser bewegen und die Babyboomer auch. Die Zeit drängt, so Hahnenkamp. Im Jahr 2019 werden 30.000 Arztstellen in den deutschen Krankenhäusern nicht besetzt sein

. In der Pflege werden es 2030 rund 414.000 unbesetzte Stellen sein, hieß es. Hahnenkamp: "Wir müssen die Parallelwelten verlassen, wir dürfen nicht auf den traditionellen Wegen weitergehen."

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