Wenn Ärzte Urlaub machen

Schauen Sie auf Ihren Nachbarn!

Bloggerin Dr. Jessica Eismann-Schweimler macht Urlaub. Und so mancher Patient ist hilflos, wenn die Praxis geschlossen ist. Die Hausärztin fordert ein gesellschaftliches Umdenken – denn gibt es weniger Ärzte, bedeutet das mehr Verantwortung für den Einzelnen.

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Arzt im Urlaub – die Praxis muss auch mal geschlossen bleiben.

Arzt im Urlaub – die Praxis muss auch mal geschlossen bleiben.

© Andreas P / fotolia.com

"Sie waren in Urlaub", sagt der Patient. "Äh, ja", antworte ich. Und er: "Ja, da hat mich der Schlag getroffen".

Erst durch gezielte Fragestellung lässt sich herausfinden, dass der Patient, während die Praxis geschlossen war, einen Schlaganfall erlitten hat. Den Vertretungsarzt im Nachbarort hat er aufgrund einer fehlenden direkten Busverbindung nicht aufsuchen können.

Es dauerte drei Tage, bis er schließlich zu einem anderen niedergelassenen Kollegen ging – und von dort dann direkt auf die Stroke Unit. Gleich die 112 anzurufen ist dem alleinstehenden Herrn leider nicht in den Sinn gekommen.

Dr. Jessica Eismann-Schweimler ist Weiterbildungsassistentin in einer allgemeinmedizinischen Praxis, 36 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie ist seit elf Jahren Ärztin und bloggt für die „Ärzte Zeitung“ über die Höhen und Tiefen der verschiedenen Weiterbildungsabschnitte auf dem Weg zum Allgemeinmediziner sowie über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dr. Jessica Eismann-Schweimler ist Weiterbildungsassistentin in einer allgemeinmedizinischen Praxis, 36 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie ist seit elf Jahren Ärztin und bloggt für die „Ärzte Zeitung“ über die Höhen und Tiefen der verschiedenen Weiterbildungsabschnitte auf dem Weg zum Allgemeinmediziner sowie über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

© Antoinette Steinmüller

Bescheiden, hilflos, alt

Ich komme ins Grübeln. Was passiert, wenn die Praxis nicht geöffnet ist? Klar, viele Patienten suchen zu jeder denk- und undenkbaren Zeit die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf, die sich in Folge für einen Hungerlohn an Bagatellfällen abarbeiten müssen.

Aber dann gibt es eben noch den einen oder anderen Patienten, der, wenn er krank ist, nur den Hausarzt aufsucht. Für andere Zugänge zu medizinischer Versorgung sind solche Patienten zu unaufgeklärt, zu bescheiden, zu hilflos oder schlicht zu alt.

Sollte nun die Praxis durchgehend geöffnet sein? Aufgrund der aktuellen Flatrate-Finanzierung der Praxen ziemlich unrentabel. Und spätestens für die nächste Generation an Ärzten auch ziemlich unattraktiv; geregelte Arbeitszeiten kennzeichnen inzwischen einen guten Arbeitsplatz.

Aufgrund der zurückgehenden Zahlen an Allgemeinmedizinern wird sich das Problem eher noch verschärfen. Eine gute Lösung ist hierfür nicht in Sicht, denn selbst eine Zweigpraxis, die in ländlichen Gegenden zum Beispiel einmal die Woche besetzt ist oder ein Bürgerbus, der Patienten zum Arzt fährt, hätten im Falle eines Schlaganfalles immer noch eine zu große Latenz.

Nicht Aufgabe des Arztes!

Ich glaube, wir brauchen ein gesellschaftliches Umdenken. Ist es denn ärztliche Aufgabe, den Patienten ambulant rund um die Uhr zu überwachen?

Wie ein Sozialarbeiter für alle Probleme und Fragestellungen des Alltags ansprechbar zu sein? Ich wünsche mir einen anderen Zusammenhalt in der Bevölkerung, eine (Orts-)Gemeinschaft, in der einer für den anderen da ist.

Da hätte ein guter Nachbar erkennen können, dass mein Patient den Arm nicht mehr heben konnte und ihm zum Beispiel zuraten können, einen Krankenwagen zu rufen.

Weniger Ärzte, das bedeutet mehr Selbstverantwortung für den Einzelnen und die Gesellschaft. Dann kann die Praxis auch mal geschlossen sein.

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