Ambulant geht bald auch in der Klinik

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Vor allem in der Onkologie hat die ambulante Behandlung wachsende Bedeutung. Krebspatienten haben nun mit der Öffnung der Krankenhäuser mehr Behandlungsoptionen.

Vor allem in der Onkologie hat die ambulante Behandlung wachsende Bedeutung. Krebspatienten haben nun mit der Öffnung der Krankenhäuser mehr Behandlungsoptionen.

© Foto: Aura

BERLIN (HL). Niedergelassene Spezialisten, beispielsweise Onkologen, müssen mit stärkerer Konkurrenz ihrer Klinikkollegen rechnen. Denn bei der Öffnung der Krankenhäuser für die hoch spezialisierte ambulante Medizin scheint nun im Bundesausschuss der Durchbruch geschafft zu sein - nach zähem Ringen und anhaltendem Widerstand der Kassen und der KBV.

Wer bislang, etwa als Krebspatient, eine spezielle Behandlung brauchte, die auch ambulant gemacht werden konnte, war prinzipiell auf einen niedergelassenen Onkologen angewiesen. Krankenhausbehandlung war nur stationär möglich.

Längst aber ist schwere Krankheit kein Grund mehr, Patienten stets ins Klinikbett zu legen. Darum hat der Gesetzgeber bereits vor Jahren den Paragrafen 116 b geschaffen und die Krankenhäuser prinzipiell für hoch spezialisierte Leistungen geöffnet. Unter anderem sollte damit auch die Behandlung aus einer Hand - stationär und anschließend ambulant - möglich werden.

Realität für Patienten sollte dies durch den Abschluss von Verträgen zwischen Krankenkassen und Kliniken werden. Das funktionierte nicht, weil die Kassenvertreter fürchteten, damit eine Doppelstruktur - in der vertragsärztlichen Versorgung und in der Krankenhausversorgung - zu finanzieren. An der Blockade beteiligten sich auch die KV-Vertreter. Sie fürchteten Mittelabflüsse in Kliniken auf Kosten der Vertragsärzte.

Mit dem Wettbewerbsstärkungs-Gesetz versuchte der Gesetzgeber, die Blockaden zu durchbrechen. Danach ist es nun möglich, dass die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden Kliniken die Öffnung für spezialisierte ambulante Behandlung erlauben. Dann müssen alle Kassen einen Kollektivvertrag mit den Krankenhäusern schließen - so ist die Vergütung sichergestellt.

Was dabei an Randbedingungen zu beachten ist, muss der Gemeinsame Bundesausschuss festlegen: zum einen Mindestmengen, zum anderen die strukturellen Qualifikationsvoraussetzungen, die Krankenhäuser für hoch spezialisierte Leistungen erfüllen müssen. Die sind jetzt für die Onkologie vom Bundesausschuss definiert worden.

Ganz ist die Kuh allerdings noch nicht vom Eis. Zwei Probleme müssen noch geklärt werden: Erstens, ob Richtlinien des Bundesausschusses eine Bindungswirkung für die Landesbehörden bei ihrer Entscheidung über die Öffnung einer Klinik haben können. Das Bundesjustizministerium hat Zweifel, ob das im föderalen deutschen Rechtssystem zulässig ist. Die Zweifel will der Bundesausschuss gerichtlich klären lassen und hat vorsorglich Klage eingereicht. Nach Auffassung der Deutschen Krankenhausgesellschaft wäre das nicht nötig. Auch wenn Landesbehörden nicht an Richtlinien des Bundesausschusses gebunden sind, die Krankenhäuser müssten sie in ihren Verträgen mit den Krankenkassen beachten.

Das zweite Problem sind die Mindestmengen. Es mag zwar plausibel erscheinen, dass es einen Zusammenhang zwischen Qualität und Häufigkeit der Leistungsmenge gibt - aber die wissenschaftliche Evidenz dafür ist dünn und für auf den Punkt bezifferte Mindestmengen gar nicht vorhanden. Gleichwohl hat der Bundesausschuss sie festgelegt, teils in absoluten Zahlen, teils in Prozentzahlen der Prävalenz einer Krankheit.

Auch das stößt auf Bedenken des Bundesgesundheitsministeriums. Beides wird am heutigen Dienstag zwischen Ministerium und Vertretern des Bundesausschusses erörtert. Es dürfte eher unwahrscheinlich sein, dass das BMG den mühsam gefundenen Kompromiss gefährdet. "Das war eine sehr harte Sitzung", so GBA-Chef Dr. Rainer Hess. Wie bis zuletzt beispielsweise die KBV versuchte, die Öffnung der Krankenhäuser faktisch zu begrenzen, zeigte sich an zwei Anträgen: Nur Fachärzte sollten berechtigt sein, zur ambulanten Behandlung an Kliniken zu überweisen, und das Behandlungsspektrum sollte auf sehr seltene onkologische Krankheiten mit besonderen Verläufen eingeschränkt werden. Beide Anträge wurden abgelehnt.

Aus der Sicht der Krankenkassen soll die Öffnung der Kliniken die bestehende ambulante Versorgung nur ergänzen - nicht jedoch zu einem Nebeneinander zweier Versorgungsschienen führen.

So steht es im Gesetz

Mit dem WSG wurde Paragraf 116 b Absatz 2 geändert. Ursprünglich konnten Krankenkassen - freiwillig - Verträge mit Kliniken über hoch spezialisierte ambulante Leistungen abschließen. Jetzt lautet die Regelung:

"Ein zugelassenes Krankenhaus ist zur ambulanten Behandlung der ... hoch spezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt, wenn es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu bestimmt worden ist ... Eine einvernehmliche Bestimmung mit den an der Krankenhausplanung Beteiligten ist anzustreben."

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