Landkreis Hameln-Pyrmont setzt für Klinik und Heim auf "strategische Partnerschaft" mit Sana

Die drohende Rezession wird den öffentlichen Haushalten in Deutschland zusetzen. Damit stehen auch den 700 kommunalen Kliniken harte Zeiten bevor. Manche Häuser suchen ihr Heil in "strategischen Partnerschaften" mit privaten Klinikbetreibern. Auch im niedersächsischen Hameln-Pyrmont geht man diesen Weg.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

"Wir geben unsere Klinik nicht aus der Hand. Wir holen uns nur einen strategischen Partner." Rüdiger Butte (SPD) Landrat von Hameln-Pyrmont

Nein und nochmals nein: "Wir geben unser Krankenhaus nicht aus der Hand. Wir haben uns mit der Sana Kliniken AG einen strategischen Partner ins Boot geholt, der seit Jahren Bestand am Markt hat und gut agiert." Diese Klarstellung ist Rüdiger Butte, Landrat von Hameln-Pyrmont, sehr wichtig. Kritiker hatten Butte zuletzt vorgeworfen, er verscherbele Tafelsilber, wenn er einen privaten Klinikkonzern an den kommunalen Gesundheitseinrichtungen - bestehend aus einem Kreiskrankenhaus an zwei Standorten und einem Altenpflegeheim - beteilige und ihm obendrein auch noch das operative Geschäft überlasse.

"Der Landkreis", hält Butte dem entgegen, "bestimmt auch in Zukunft mit, wenn es um die Interessen seiner Gesundheitseinrichtungen geht". Möglich macht das ein Modell, das von beiden Seiten als "strategische Partnerschaft" beschrieben wird: Zunächst wird der Münchner Klinikkonzern mit einem Anteil von 49 Prozent an der Gesundheitseinrichtungen Hameln-Pyrmont gGmbH beteiligt. Das Gesamtpaket für die Übernahme der Anteile und der damit verbundenen operativen Verantwortung durch Sana beinhaltet eine fünfjährige Beschäftigungsgarantie für alle Mitarbeiter und die Zusage Sanas, 70 neue Stellen im Landkreis zu schaffen. Weitere zwei Prozent der Anteile kann Sana auf Grundlage einer "Call-Option" im Jahr 2010 erwerben.

Es geschieht nichts gegen den Willen des Landkreises

Doch auch in diesem Fall, betont Landrat Butte, geschehe nichts gegen den Willen des Landkreises. "Wir haben uns im Gesellschaftervertrag Rechte gesichert, die nicht selbstverständlich sind: Alle strategischen Entscheidungen erfordern eine 75-prozentige Zustimmung und über die verfügt Sana nicht." Ob Sana hält, wozu sich der Konzern vertraglich verpflichtet hat, wollen Butte und die Mitglieder des Kreistages in den nächsten Jahren mit Adleraugen beobachten. "Ich weiß aus Erfahrung: Verhandlungen sind das eine, Verträge das andere und das wirkliche Leben kommt hinterher." Dennoch gibt sich der Kommunalpolitiker optimistisch, dass die Partnerschaft fruchtet. "Unser Krankenhaus ist wirtschaftlich gesund. Mit Sana haben wir einen starken Partner geholt, mit dem wir auch künftig eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sicherstellen werden."

Sana will bis 2011 15 Millionen Euro investieren

"Die jüngste Akquisition ist ein wichtiger Motor für das weitere Wachstum Sanas." Dr. Michael Philippi Vorstandsvorsitzender der Sana Kliniken

Alleine könne der Landkreis diese Herkules-Aufgabe nicht bewältigen. "Sana investiert in den nächsten drei Jahren 15 Millionen Euro in den Gesundheitsstandort Hameln-Pyrmont - Geld, das der Landkreis nicht hätte in die Hand nehmen können", sagt Butte. "Privat oder öffentlich ist hier nicht die Frage Nummer eins. Zunächst geht es, wie immer, um die Strategie. Wenn die stimmt, ist es ohne Zweifel vorteilhaft, mit einem starken Partner zu agieren", kommentiert der Hamburger Gesundheitsunternehmer und Krankenhausberater Professor Heinz Lohmann den Deal. Nur ein Krankenhaus, das sich am Markt behaupten könne, sei langfristig ein "sicheres und damit gutes Krankenhaus". Die "strategische Partnerschaft" zwischen einem öffentlichen Träger und einem privaten Klinikbetreiber werde daher auch anderswo in Deutschland Nachahmer finden, ist sich der Experte sicher.

Die Finanzkrise und die drohende Rezession würden diesen Prozess beschleunigen. "Bei knapper werdenden Steuermitteln müssen die Krankenhäuser auf Investitionsmittel künftig noch länger warten. Das verbietet aber der schärfer werdende Wettbewerb. Deshalb halten pfiffige Gesundheitsmanager nach neuen Geldquellen Ausschau." In Hameln habe man gezeigt, wie das geht. Sana erweitert sein Portfolio Dass Sana sein Geld nicht uneigennützig hergibt, versteht sich von selbst. "Die jüngste Akquisition ist ein wichtiger Motor für das weitere Wachstum Sanas und trägt so zur bundesweiten Stärkung der Marktposition des Konzerns bei", sagt Sana-Vorstandsvorsitzender Dr. Michael Philippi.

Auch in Düsseldorf und Duisburg ist Sana beteiligt

Vor allem im Bereich der Kardiologie habe das Kreiskrankenhaus mit rund 5000 stationären Fällen pro Jahr einen "herausgehobenen Status, der die herzmedizinische Kompetenz von Sana weiter verstärkt". In deren Zentren würden heute bereits zehn Prozent aller herzchirurgischen Eingriffe sowie 27 Prozent aller Herz- und Lungentransplantationen in Deutschland erbracht, berichtet Philippi. Hameln ist nicht die erste Partnerschaft, die Sana mit einem kommunalen Haus eingeht. Bereits 2007 schloss der Konzern ähnliche Beteiligungsverträge mit den Kliniken in Duisburg und Düsseldorf ab.

Standort Hameln-Pyrmont

Die Gesundheitseinrichtungen Hameln-Pyrmont gelten als bedeutende Schwerpunktversorger und nehmen einen überregionalen Versorgungsauftrag bis an die Landesgrenzen Niedersachsens wahr.

An den zwei Standorten des Krankenhauses werden jährlich 21 000 Patienten stationär versorgt.

Der Umsatz der gGmbH, zu der auch ein Altenheim gehört, beträgt derzeit rund 75 Millionen Euro im Jahr.

Die private Klinikkette Sana

Die Sana Kliniken wurde 1976 von den privaten Krankenversicherungen (PKV) gegründet und zählen zu den führenden privaten Krankenhausbetreibern Deutschlands.

Mit 37 Kliniken und rund 946 Millionen Euro Umsatz setzt Sana neben einer flächendeckenden Akutversorgung vor allem auf die Leistungsschwerpunkte Herzmedizin, Orthopädie und Neurologie. Daneben betreibt Sana auch einige Seniorenheime und Rehabilitationskliniken.

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