Hintergrund

Mit Online-Klausuren besser durchs Medizinstudium

Online-Klausuren bieten für Medizinstudenten und Professoren viele Vorteile, wie die Uni Marburg zeigt.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:

Für viele Medizinprofessoren ist es noch ungewohnt, doch die Studierenden sind angetan: So genannte E-Klausuren, elektronische Klausuren, werden für immer mehr angehende Mediziner zum Alltag. Vorreiter im Bereich der Medizin ist die Marburger Philipps-Universität, wo es bereits seit 2003 Online-Klausuren gibt.

Angefangen haben die Radiologen, erzählt die Marburger E-Learning-Spezialistin Dr. Christine Schäfer. Die wünschten sich hochwertige Röntgenbilder. In der Kopie ließ die Qualität der Röntgenaufnahmen nämlich zu wünschen übrig. Doch elektronisch gab es keine Probleme.

Jede zweite Klausur soll ohne Papier auskommen

Heute werden bereits 15 Prozent der Marburger Medizin-Klausuren am Bildschirm geschrieben. Schäfer geht davon aus, dass in drei Jahren mehr als die Hälfte aller schriftlichen Prüfungen ohne Stift und Zettel auskommen. In Marburg gibt es neuerdings auch Räume für die E-Klausuren. Die medizinische Bibliothek wurde mit Laptops und Internetanschlüssen so ausgestattet, dass dort 200 Prüflinge gleichzeitig schreiben können. Jeweils zum Ende des Semesters wird die Bibliothek dadurch zum Testcenter für E-Klausuren. Bislang mussten die Studierenden in mehreren Computerräumen und Durchgängen schreiben.

Bei den Prüflingen kommt die neue Form an. Nach einer Akzeptanzstudie waren 80 bis 90 Prozent der angehenden Mediziner schon bei den ersten Versuchen in Marburg mit den E-Klausuren zufrieden. Hauptgrund: Die Auswertung der Arbeiten geht viel schneller: "Meist gibt es die Ergebnisse noch am gleichen Tag", sagt Fachschaftsrat Hendrik Haas. Sonst habe das oft Wochen gedauert. Im übrigen gebe es eigentlich keine großen Unterschiede zur Papierklausur, sagt der Medizinstudent.

Für die Studenten gibt es weniger Punktabzug

Die automatische Auswertung der Klausuren ist auch der Grund, warum die Technik inzwischen an vielen Orten gefördert wird. Zudem macht die Elektronik weniger Fehler, die sonst manchmal beim Zusammenziehen der Punkte passieren. Man kann sogar im Nachhinein entscheiden, eine Frage nicht in die Wertung einzubeziehen. Das lohnt sich vor allem in den großen Fächern mit vielen Multiple-Choice-Tests. Schwieriger ist es in den Geisteswissenschaften, weil der Rechner keine frei formulierten Antworten bewerten kann. Deswegen ist Christine Schäfer auch sicher, dass die Papierklausur auch in Zukunft nicht ganz abgeschafft wird.

Mittlerweile werden etwa an jeder fünften deutschen Hochschule E-Klausuren geschrieben. Die Verfahren sind unterschiedlich: In Bremen wurde im Rechenzentrum ein eigenes Testcenter für die ganze Universität eingerichtet. In Hannover wird mit W-Lan gearbeitet. In Berlin bringen die Prüflinge ihre eigenen Laptops mit.

An vielen Universitäten scheitert das Vorhaben vor allem an den fehlenden Computerräumen, berichtet der Gießener EDV-Experte Stefan Schneider, der gemeinsam mit der Marburger Uni ein Kooperationsprojekt für eine Online-Klausur-Plattform initiiert hat: "Viele müssen mit der bestehenden Infrastruktur arbeiten." Deshalb gibt es auch an der Gießener Justus-Liebig-Universität bislang erst kleine Versuche.

Überall werden die E-Klausuren jedoch unter Aufsicht geschrieben. Ausweiskontrolle ist Pflicht. Und das Spicken ist eher schwerer: Die Reihenfolge der Fragen wird online verwürfelt: "Das heißt, man kann nicht darüber tuscheln, was denn bei Frage drei herauskommt", sagt Schäfer.

Sind Hacker-Angriffe ein Problem?

Probleme kann es bei der Technik geben. Die Server müssen vor Hackern extra gut geschützt werden. Die Prüfungsrechner müssen so programmiert werden, dass eingeschmuggelte USB-Sticks nicht funktionieren.

Komplett abgestürzte Server gab es in Marburg bislang nicht, nur Zwischenfälle wie ausgefallene Rechner. Doch das ist, so Schäfer, kein wirkliches Problem. "Die Klicks werden ja sofort an den Server übermittelt und die Ergebnisse sind auch beim Rechnerzusammenbruch noch da. Man muss dann den Prüfling, der am kaputten PC sitzt, einfach umsetzen."

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