Kliniken sind Pioniere im Kampf gegen Korruption

In Bremen und Hannover stehen zwei Klinikneubauten an. Um der Korruption rund um die Bauvorhaben vorzubeugen, haben alle an dem Projekt beteiligten Firmen einen Anti-Korruptions-Vertrag geschlossen - ein Novum.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Wird ein Vertrag Korruption verhindern können?

Wird ein Vertrag Korruption verhindern können?

© Carlson / Fotolia.com

BREMEN/HANNOVER. Die Gesundheit Nord (Geno) in Bremen und das Klinikum Region Hannover haben einen so genannten Integritätspakt von Transparency International (TI) unterzeichnet. Das bedeutet: Bei den anstehenden Neubauten der Klinika wird der Korruption der Kampf angesagt. Dazu müssen sich alle am Bau beteiligten Firmen per Unterschrift verpflichten. Insgesamt hat TI in Deutschland bisher nur drei solcher Pakte initiieren können, und zwar beim Bau des neuen Berliner Flughafens und bei den Neubauvorhaben eben jener beiden Kliniken; andere sind im Gespräch.

"Bestechung und Korruption laufen in großem und kleinem Rahmen", sagt Dr. Michael Wiehen, ehemaliger Direktor der Weltbank und Ethikbeauftragter bei TI, "in vielen Gemeinden geht nichts ohne Bestechung. Zum Beispiel dann, wenn ein Prüfer gegen Geld oder Geschenke ignoriert, dass minderwertiger Beton verbaut wird." Als "Klassiker" des Betruges gilt, mehr Baumaterial zu bestellen und zu bezahlen, als tatsächlich zu erhalten. Das zu viel gezahlte Geld teilen sich die Betrüger.

Kaskadenartig steigern sich die Bestechungs-Anreize

Anders gehen Unternehmen vor, die unbedingt einen Auftrag erhalten wollen, so Wiehen: "Zuerst gibt es ein Bier für die potenziellen Auftraggeber, dann ein elegantes Essen, dann eine Einladung zur Kieler Woche." "Anfüttern" nennt Wiehen das - und irgendwann fühlt sich der Baudirektor bei seinen Vergabeentscheidungen nicht mehr frei.

Die beiden Großstädte dürften mit ihren Planungsvorhaben Betrugswillige anlocken. Der Neubau des Klinikums Bremen-Mitte etwa soll 230 Millionen Euro kosten. Anders als in Hannover hat man in Bremen bereits schlechte Erfahrungen gemacht mit unsauberen Machenschaften und bestechlichen Klinikmanagern. So hatte der ehemalige Chef einer der vier Geno-Kliniken Verträge mit Beraterfirmen abgeschlossen, die ihm selbst gehörten und die zum Teil nicht einmal Leistungen für das Geld erbrachten.

Hannover ist bisher noch ohne negative Erfahrung

Hannovers Kliniken sind in dieser Hinsicht unvorbelastet, ein geplanter Neubau dürfte gleichwohl manchen Betrüger interessieren, weil das Klinikum Region Hannover 180 Millionen Euro für das neue Siloah/Oststadt-Heidehaus in Hannover-Linden veranschlagt.

Betrug will man nun in beiden Städten künftig schon im Vorfeld verhindern. Besonders deshalb, weil der Gesetzgeber im Zuge der Wirtschaftskrise die Vergabegrenzen heraufgesetzt und damit die Korruption begünstigt hat. Das heißt, die Beträge, bei denen noch formlos ausgeschrieben werden kann, sind gestiegen. "Die Geno ist dann auf uns zugekommen und hat nach dem Pakt gefragt", berichtet Wiehen. Die Hannoveraner wiederum hatten sich am Bremer Nachbarn ein Beispiel genommen, so Bernhard Koch, Sprecher des Klinikums. Die Integritätsverträge, die von allen Anbietern, Auftragnehmern und Vergabestellen unterschrieben werden müssen, umfassen klare Regeln und Verpflichtungen beider Seiten: Das Anbieten oder die Hinnahme von Bestechung ist ebenso ausgeschlossen wie die Forderung oder Annahme von Geschenken; Anbieter verzichten außerdem auf wettbewerbsbeschränkende Absprachen. "Eigentlich wird hier noch einmal zusammengefasst und ins Bewusstsein gebracht, was ohnehin Gesetz ist", sagt Wiehen.

Damit die Vereinbarungen nicht als zahnlose Tiger enden, gelten Sanktionen: "Angefangen beim Verlust des Auftrags und von Sicherheiten bis hin zu Schadenersatz und dem Ausschluss von zukünftigen Vorhaben." Überwacht wird der Pakt von einem externen Experten als Monitor. Der Anwalt und Baufachmann Professor Jürgen Gotthold, der den Bremer Bau überwacht, sagt etwa: "In Bremen haben wir vereinbart, dass alles, was mehr als 100 000 Euro kostet ausgeschrieben werden muss." Gotthold hat Zugang zu allen Dokumenten, allen Sitzungen und Verhandlungen. "Wenn er Missbrauch oder Betrug aufdeckt, kann er - wenn es nicht anders geht - zum Staatsanwalt gehen", so Wiehen.

Dass die Beteiligten nicht sofort Feuer und Flamme sind für den Pakt, zeigt auch die Integritätsvereinbarung zwischen der Flughafen Berlin Schönefeld GmbH und TI. Nach erheblichen Anfangsturbulenzen begleiten dort nun externe Beobachter das Bauprojekt und überwachen die Einhaltung des Paktes. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Seitdem TI mit im Boot sitzt, sagt Wiehen, "liegt das Flughafenprojekt mit dem Volumen von 2,5 Milliarden Euro innerhalb des Budgets, auch wenn der Zeitplan aus anderen Gründen um neun Monate verschoben wurde."

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