Bundesarbeitsgericht: Chefarzt ist kein leitender Angestellter

Bei Personalangelegenheiten leitender Angestellter haben Betriebsräte nichts zu sagen. Doch wie sieht es bei Chefärzten aus? Ein Fall aus NRW könnte Schule machen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Der Chefarzt: Als leitender Angestellter gilt er nur dann, wenn er maßgeblich Personal- oder Budgetverantwortung hat.

Der Chefarzt: Als leitender Angestellter gilt er nur dann, wenn er maßgeblich Personal- oder Budgetverantwortung hat.

© blickwinkel / imago

ERFURT. Ein Chefarzt gilt nicht automatisch als leitender Angestellter. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied, ist das erst dann der Fall, wenn er die Aufgabenstellung zumindest seiner eigenen Tätigkeit maßgeblich selbst prägen kann oder sonst über unternehmerähnliche Kompetenzen verfügt.

Nach dieser Entscheidung des BAG sei es wohl so, "dass es kaum noch leitende Angestellte unter den Chefärzten gibt", sagte Roland Gastell, auf Krankenhäuser spezialisierter Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei BMH Bräutigam und Partner in Berlin. Auch bei Kündigungen oder Versetzungen von Chefärzten kämen die Kliniken meist nun wohl "nicht umhin, vorsorglich den Betriebsrat mit anzuhören".

Im Streitfall ging es um einen Geriatrie-Chef

Denn nur als leitende Angestellte würden Chefärzte nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fallen. Laut Gesetz sind das neben Prokuristen auch Mitarbeiter mit eigener Personalkompetenz oder anderen Kompetenzbereichen, in denen sie für Bestand und Entwicklung des Unternehmens wichtige Entscheidungen "im Wesentlichen frei von Weisungen" treffen können.

Im Streitfall ging es um den Leiter der geriatrischen Abteilung des Helios Klinikums im nordrhein-westfälischen Schwelm. Laut Arbeitsvertrag wurde er als leitender Angestellter eingestellt, der selbstständig über Einstellung und Entlassung seiner ärztlichen Mitarbeiter entscheiden kann. An der Budgetplanung seiner Abteilung war er beteiligt.

Der Arbeitsvertrag war letztlich nicht entscheidend

Der Betriebsrat ging vor Gericht gegen die Einstufung des Chefarztes als leitender Angestellter vor. Mit Erfolg machte er geltend, seine Kompetenzen reichten dafür nicht aus. Dabei entschied das BAG den Streit aus prozessrechtlichen Gründen in zwei Teilen. Bereits 2007 bestätigte es die Auffassung des Betriebsrats in Bezug auf die Personalkompetenz. Diese beziehe sich auf nur vier der damals rund 600 Beschäftigten der Klinik, ohne dass die vier betroffenen Ärzte ihrerseits wieder eine große Bedeutung für die Klinik hätten.

Nach dem kürzlich schriftlich veröffentlichten neuen Beschluss reichen auch die anderweitigen unternehmerischen Kompetenzen des Chefarztes nicht aus. Sein Budget sei mit ihm lediglich "abzustimmen", die Entscheidung liege aber letztlich bei der Klinikleitung.

Auch sonst seien dem Chefarzt "unternehmerische (Teil-)Aufgaben" nicht wirklich übertragen worden. Die Bezeichnung des Chefarztes im Arbeitsvertrag spiele rechtlich letztlich keine Rolle.

"Bei den Chefärzten ist das Interesse gespalten", sagte Gastell. Wie die Klinikleitung wollten sie meist nicht, dass der Betriebsrat allzu genaue Kenntnis etwa über Lohnfragen hat. Das BAG habe sie nun aber "von einer Wolke geholt". Und im Fall von Konflikten hofften meist auch die Chefärzte dann doch auf die Unterstützung der Arbeitnehmervertreter.

Az.: 7 ABR 61/06 (Personal) und 7 ABR 97/08 (Budget u.a.)

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