Vom Kinderarzt zum Väterbeauftragten

Der Assistenzarzt Raphael Schwiertz hat einen ungewöhnlichen Nebenjob: Er ist Väterbeauftragter an der Universitätsklinik Essen. Der Job kam für ihn etwas überraschend - obwohl er selbst Kinder hat.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Raphael Schwiertz: "Meine eigene Elternzeit war gut, jetzt will ich andere Väter ermutigen."

Raphael Schwiertz: "Meine eigene Elternzeit war gut, jetzt will ich andere Väter ermutigen."

© privat

KÖLN. Erst war Raphael Schwiertz ein bisschen überrascht, dass gerade er den Job machen sollte. "Ich war ja kein Fachmann in Dingen wie Elterngeld, Elternzeit und Beratung", sagt der Kinderarzt.

Was ihn jedoch qualifizierte, waren zwei kleine Kinder und ein Jahr Elternzeit, die er für seinen ersten Sohn genommen hatte.

Inzwischen ist er seit über einem Jahr Väterbeauftragter an der Universitätsklinik Essen - der einzige in Nordrhein-Westfalen. Seine Aufgabe: Jungen Vätern, die Elternzeit nehmen wollen, zur Seite zu stehen und ihnen bei der Organisation und Durchsetzung ihres Plans zu helfen.

Auch wenn es Probleme mit Vorgesetzten gibt, soll Schwiertz schlichtend eingreifen. Aber das sei noch nie vorgekommen, berichtet er.

Eigentlich gibt es mit der Gleichstellungsbeauftragten an der Uniklinik schon eine Stelle, bei der sich junge Eltern beraten lassen können. Der Väterbeauftragte soll aber speziell Ansprechpartner für Männer sein.

"Weil ich meine eigene Elternzeit als sehr positiv wahrgenommen habe, will ich junge Väter ebenfalls dazu ermutigen", sagt der 32-jährige Assistenzarzt.

Das Beratungsangebot gilt nicht nur für Ärzte, sondern für alle Angestellten der Klinik. "Wenn aber mal ein Kollege von außerhalb anruft, helfe ich dem natürlich auch."

Mit dem Väterbeauftragten will die Uniklinik Essen als Arbeitgeber für junge Mediziner attraktiver werden. "Gerade vor dem Hintergrund drohenden Fachkräftemangels und der Abwanderung vieler junger Ärzte ins Ausland hat die Klinikleitung ein Interesse daran, ihren Angestellten etwas zu bieten", sagt Schwiertz.

Er sieht aber auch, dass medizinische Einrichtungen Nachholbedarf haben, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von jungen Medizinern betrifft. "Andere Branchen sind da schon viel weiter", sagt er.

Aus Erfahrung gut

Schwiertz beantwortet alle Fragen zum Thema Antragstellung, Teilzeit oder Bereitschaftsdienste in der Elternzeit. "Ich will vor allem die Unentschlossenen dazu motivieren, sich für die Elternzeit zu entscheiden", sagt er.

Eines der größten Hindernisse für junge Mediziner sei die Angst vor den Reaktionen der Chefs und der Kollegen. Das Feedback auf das Angebot der Klinik ist bislang noch verhalten. "Im Schnitt meldet sich alle zwei Wochen jemand", sagt der Kinderarzt.

Im Jahr 2010 haben laut der Klinikstatistik 18 Väter Elternzeit genommen, im ersten Halbjahr 2011 waren es zwölf. "Wenn wir das einfach auf das zweite Halbjahr hochrechnen, hätten wir einen leichten Anstieg zu verzeichnen", sagt er. "Das ist ja immerhin etwas."

Die Bereitschaft der jungen Mediziner, länger als zwei Monate für den Nachwuchs auszusetzen, ist jedoch gering. Im Jahr 2010 hat das gerade einmal ein einziger Arzt getan.

Für das vergangene Jahr liegen noch keine abschließenden Zahlen vor. Auch Schwiertz wird für seinen zweiten fünf Monate alten Sohn nur eine zweimonatige Elternzeit nehmen.

Selbst hat der junge Arzt gute Erfahrungen gemacht, als er sich entschied, ein Jahr lang bei seinem älteren dreieinhalbjährigen Sohn zuhause zu bleiben, während seine Frau, die ebenfalls Klinikärztin ist, Vollzeit arbeiten ging.

"Ich habe in der Zeit ein sehr intensives Verhältnis zu meinem Kind aufgebaut", sagt er. Dennoch sei er gerne nach dem Jahr wieder zurück an die Klinik gegangen. "Die Anerkennung und Bestätigung für die Arbeit hat dann schon gefehlt", räumt er ein.

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