Remeo-Center

Ein Trainingszentrum zum Luftholen

Die Remeo-Center wollen für künstlich beatmete Patienten die Brücke von der Intensivstation zurück in die häusliche Umgebung sein. Gerade ist in Dortmund ein neues Center eröffnet worden - durchaus mit Zuspruch von Ärzte- und Klinikseite.

Von Anja Krüger Veröffentlicht:
Im Remeo-Center geht es nicht nur darum, dass Pfleger mit Patienten das Atmen ohne Beatmungsgerät trainieren. Wer langfristig auf die Beatmung angewiesen ist, lernt auch, den Alltag mit dem Gerät zu meistern.

Im Remeo-Center geht es nicht nur darum, dass Pfleger mit Patienten das Atmen ohne Beatmungsgerät trainieren. Wer langfristig auf die Beatmung angewiesen ist, lernt auch, den Alltag mit dem Gerät zu meistern.

© Linde Remeo Deutschland GmbH

DORTMUND. Der Name ist Programm: Am Klinikum Westfalen in Dortmund hat das sechste "Remeo"-Center der Unternehmensgruppe Linde für künstlich beatmete Patienten in Deutschland geöffnet.

Remeo bedeutet "ich kehre zurück", und genau das bietet die Einrichtung ihren Bewohnern an: Unterstützung bei der Rückkehr in ein normales Leben. Ein Konzept, das gerade von Klinikärzten positiv gesehen wird.

Auf 1100 Quadratmetern im Erdgeschoss des wohnlich eingerichteten Gebäudes "Westfalium" können Patienten, die sonst auf der Intensivstation liegen müssten, selbstständiges Atmen trainieren und den Umgang mit ihrem Atemgerät im Alltag lernen.

"Ein Umfeld, in dem man sich wohlfühlen kann, erleichtert die Genesung, aber auch die Pflege", sagte Andreas Schlüter, Geschäftsführer des Klinikum Westfalen.

Die Einrichtung befindet sich auf dem Gelände des Knappschaftskrankenhauses, ist aber organisatorisch und logistisch völlig unabhängig von ihm.

"Im Ernstfall sind die Patienten schnell in der Klinik, aber das vorrangige Ziel ist die Entwöhnung von der Beatmung", sagte Schlüter bei der Eröffnung.

Patienten müssen vom Beatmungsgerät systematisch entwöhnt werden

Das Westfalium am Klinikum Westfalen in Dortmund beherbergt das sechste Remeo-Center der Linde Group in Deutschland.

Das Westfalium am Klinikum Westfalen in Dortmund beherbergt das sechste Remeo-Center der Linde Group in Deutschland.

© Linde Remeo Deutschland GmbH

Die Einrichtung wird von Linde Remeo betrieben, die als Teil von Linde Gas Therapeutics zur Geschäftseinheit Linde Healthcare der Linde Group gehört. "Wir haben 24 Jahre Erfahrung in Beatmungspflege", sagte Konrad Bengler, Geschäftsführer Linde Remeo Deutschland.

Das erste Remeo-Center ging 2005 aus einer Beatmungspflegestation in Mahlow bei Berlin hervor. Inzwischen betreibt das Unternehmen weltweit insgesamt 22 Einrichtungen für beatmete Patienten, die stabil genug sind, die Intensivstation zu verlassen, aber noch nicht nach Hause entlassen werden können.

Schätzungsweise 25.000 Patienten werden in Deutschland künstlich beatmet. Genaue Zahlen gibt es nicht, die Dunkelziffer ist hoch.

"In der Regel ist das Abkommen vom Beatmungsgerät kein Problem", sagte Dr. Clemens Kelbel, Chefarzt im Knappschaftskrankenhaus Dortmund. Mehr als 90 Prozent können danach selbstständig atmen.

Doch manche Patienten müssen vom Beatmungsgerät systematisch entwöhnt werden. "Das ist ähnlich wie bei einem Bein, das lange eingegipst war", so der Arzt. Die Muskulatur muss nach dem Abnehmen des Gipses neu aufgebaut werden.

"Der Patient muss ein richtiges Trainingsprogramm absolvieren, das kann Wochen oder Monate dauern", sagte er. Diese Zeit des Trainings auf einer Intensivstation zu verbringen, ist für Patienten ausgesprochen belastend und für die Kostenträger teuer. Die genauen Kosten sind aufgrund der komplexen DRGs schwer zu beziffern.

Schlüter: "30 Tage auf einer Intensivstation kosten schnell zwischen 50.000 und 60.000 Euro." Das Remeo-Center erhalte dagegen unter 10.000 Euro im Monat. Für die Unterbringung kommen die Kranken- und Pflegekassen auf.

Patienten zur Selbstständigkeit bewegen

In einem Remeo-Center ist der Aufenthalt für Patienten und ihre Angehörigen weitaus angenehmer als in dem unpersönlichen Ambiente einer Intensivstation.

"Wir sehen uns als Brücke zwischen Intensivstation oder Weaning-Center und dem eigenen Zuhause", betont Antje Kassin, Pflegedirektorin im Remeo-Center Berlin-Mahlow, die auch die Dortmunder Einrichtung aufgebaut hat.

"Wir begleiten den Patienten so, dass er möglichst unbeatmet sein Leben selbst leben kann." Ist ein Leben ohne Beatmungsgerät nicht möglich, lernt er, damit zu leben.

Die Mitarbeiter versuchen, die Patienten zur Selbstständigkeit zu bewegen: sich zum Beispiel in der Küche im Aufenthaltsraum der Einrichtung etwas zu essen zuzubereiten oder die Spülmaschine ein- und auszuräumen. Außerdem organisieren sie weitere Behandlungen wie Physiotherapie oder Logopädie.

Im Mittelpunkt steht dabei stets der Wunsch des Patienten. "Wenn der Patient nicht mitmacht, wird es schwierig", so Kassin.

Die Mitarbeiter der Einrichtung versuchen auch, den Bewohner zu motivieren, das Leben lebenswert zu finden. "Wir zeigen ihm: Trotz künstlicher Beatmung kannst Du leben."

Hilfe für die Angehörigen

Sie haben aber auch die Angehörigen im Blick. "Wir versuchen, den Angehörigen Ängste zu nehmen", sagte sie.

Die Einrichtung arbeitet mit niedergelassenen Ärzten zusammen. "Wir machen zum Beispiel gemeinsam Visiten", erklärt Chefarzt Kelbel.

Auf Wunsch können sich Patienten von ihrem Hausarzt behandeln lassen, während sie in der Einrichtung leben. Das geschieht laut Pflegedirektorin Kassin aber selten.

Das Einzugsgebiet der Centren ist sehr groß. Für die Dortmunder Klinik ist es das gesamte Ruhrgebiet. Nach Kassins Erfahrungen beträgt die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten im Remeo-Center mehr als 200 Tage.

"Es gibt aber auch Patienten, die nach sechs Wochen oder zwei Monaten nach Hause gehen."

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