Uniklinik Heidelberg

Neue Ambulanz für Gewaltopfer

In Heidelberg können sich Gewaltopfer direkt an eine entsprechende Ambulanz der Uniklinik wenden. So ersparen sie sich doppelte Untersuchungen. Auch Ärzte können Rat einholen.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Professorin Kathrin Yen asserviert Organproben im Sektionssaal der Gewaltambulanz am Uniklinikum Heidelberg.

Professorin Kathrin Yen asserviert Organproben im Sektionssaal der Gewaltambulanz am Uniklinikum Heidelberg.

© Universitätsklinikum Heidelberg

HEIDELBERG. Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt haben ab sofort eine direkte ambulante Anlaufstelle am Rechtsmedizinischen Institut der Universität Heidelberg.

Mit dieser ersten Klinisch-Forensischen Ambulanz in Baden-Württemberg ist eine umgehende Verletzungsdokumentation und Spurensicherung nach gewaltsamen Ereignissen gewährleistet - und das rund um die Uhr.

Bestandteil des ambulanten Angebots ist ein rechtsmedizinischer ärztlicher 24-Stunden-Bereitschaftsdienst am Telefon.

Untersuchungstermin nach Anruf

Ein mobiles Team aus zehn Ärzten - davon fünf fachärztliche Rechtsmediziner und fünf Assistenten - ist für Gewaltopfer und deren Familienangehörige, Ärzte, Polizisten und Opferhilfe-Einrichtungen Tag und Nacht am Diensthandy erreichbar.

Ein Untersuchungstermin in der Klinikambulanz ist nach telefonischer Absprache ohne lange Wartezeiten umgehend möglich.

Mit der Ambulanz soll ein "niederschwelliges Angebot" für Gewaltopfer vorgehalten werden, sagte die Direktorin des Heidelberger Rechtsmedizinischen Instituts, Professor Kathrin Yen bei der Eröffnung der Einrichtung.

"Eine frühzeitige Untersuchung sollte vor allem nach häuslicher Gewalt, Strangulation, bei Verdacht auf Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch, Vergewaltigung, Gewalt an älteren Menschen oder nach sonstigen gewaltsamen Übergriffen wie Schlägereien oder Angriffen mit gefährlichen Gegenständen erfolgen."

Werde nach Gewalttaten umgehend eine klinisch-forensische Untersuchung vorgenommen und die Verletzungen gerichtsfest dokumentiert, sei dies für die Betroffenen in einem späteren Strafverfahren von großem Vorteil, so die Rechtsmedizinerin. Yen hat bereits eine solche Anlaufstelle im österreichischen Graz erfolgreich aufgebaut.

Das rechtsmedizinische Team führt zumeist die Untersuchungen durch

Nach den dortigen Erfahrungen sind es meist Ärzte aus Kliniken und Praxen, die mit der Gewaltambulanz Kontakt aufnehmen, um die Opfer anzumelden oder Rat etwa bei Verdacht auf familiäre Kindesmisshandlung zu suchen.

"Wir sind eine objektive Stelle und können auf der Basis objektiver Befunde Klarheit schaffen, was sich zugetragen hat", so Yen.

Ist noch kein Arzt eingeschaltet, wird die ärztliche Versorgung und der Kontakt für eine psychologische Betreuung vom klinisch-forensischen Team organisiert.

Meistens (in 80 Prozent der Fälle) führt das rechtsmedizinische Team vor Ort die nötigen Untersuchungen durch, in 20 Prozent wird dies in der klinischen Ambulanz getan.

Vergewaltigungsopfer werden Yen zufolge zusammen mit Gynäkologen immer in den Kliniken, zum Beispiel der Universität Heidelberg oder der Universitätsmedizin Mannheim, untersucht.

Die gynäkologisch-rechtsmedizinische Untersuchung finde gemeinsam statt, um die Opfer zum einen umgehend medizinisch versorgen zu können und die Befunde zum anderen gleich rechtsmedizinisch abklären zu können. Das erspare den Opfern mehrere Untersuchungstermine.

Kostenlose Untersuchungen

Das Prozedere der rechtsmedizinischen Untersuchung umfasst eine komplette präzise körperliche Untersuchung, eine gerichtsfeste Dokumentation und die Spurensicherung.

Das Heidelberger Institut verfügt auch über eine DNA-Abteilung zur Untersuchung von DNA-Spuren und über eine forensische Toxikologie für Untersuchungen von biologischem Material, etwa um Vergiftungen nachzuweisen oder bei Verdacht auf Verabreichung von Ko-Tropfen.

Die Untersuchungen sowie die Spurensicherung sind für die Betroffenen kostenlos. Die Kosten werden derzeit hauptsächlich vom Universitätsklinikum getragen.

Die Krankenkassen sollten aber stärker eingebunden werden, wünscht sich der Ärztliche Direktor des Heidelberger Universitätsklinikums, Professor Guido Adler.

Das Team der Gewaltambulanz sieht seinen Wirkungsbereich nicht nur in Nordbaden, sondern auch darüber hinaus. Der telefonische Dienst kann unabhängig vom Ort etwa von Ärzten in Anspruch genommen werden, die Gewaltopfer zu betreuen haben.

Bundesweit existieren schon einige solcher Anlaufstellen, zum Beispiel in Hamburg, München, Hannover und Düsseldorf.

Der telefonische ärztliche Bereitschaftsdienst in Heidelberg ist unter der Telefonnummer 0152/54648393 zu erreichen.

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