Kassen prüfen länger

Hängepartie im Streit um Herzzentrum Bodensee

Eine ganze Latte von Vergehen hat sich das Herzzentrum Bodensee angeblich zu Schulden kommen lassen. Die Aufklärung der Verdachtsfälle zieht sich. Manche Akteure hegen dabei die Hoffnung, dass dem Zentrum von selbst die Puste ausgeht.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

STUTTGART/KONSTANZ. Der Streit um das in die Kritik geratene Herzzentrum Bodensee entwickelt sich zur Hängepartie.

Im November sind verschiedene Vorwürfe laut geworden, die offenbar durch ehemalige Mitarbeiter des Zentrums gestreut wurden.

Das Herzzentrum erklärt dazu auf Anfrage der "Ärzte Zeitung", ein ehemaliger Chefarzt sowie ein ehemaliger Oberarzt hätten vertrauliche Daten "entwendet und auf raffinierte Weise systematisch für eigene, manipulierende Zwecke missbraucht".

So soll die Klinik mit Standorten in Konstanz und im schweizerischen Kreuzlingen angeblich eine Ärztin ohne Approbation beschäftigt haben (die fragliche Ärztin sei nicht in der Klinik beschäftigt gewesen, sagt das Herzzentrum) oder Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt haben ("Wir haben alle fälligen Sozialabgaben ordnungsgemäß und vollständig abgeführt", so das Zentrum).

Waren die Homografts in Deutschland zugelassen?

Ein weiterer Vorwurf lautete, das Zentrum habe 47 in Deutschland nicht zugelassene Homografts verwendet. Diese seien in der Schweiz zugelassen gewesen, nicht aber in Deutschland.

Die Herzklappen seien "medizinisch gesehen einwandfrei" gewesen, erklärte der Vorstandsvorsitzende der CHC Holding AG, Martin Costa, zu der das Herzzentrum gehört, in einem Interview. Es müsse erst noch geklärt werden, hieß es im November, ob der Homograft-Lieferant aus Prag vom Paul-Ehrlich-Institut lizenziert gewesen ist.

"Aus Respekt vor laufenden Abklärungen" wollte das Herzzentrum nicht kommentieren, welche Vorwürfe aktuell noch im Raum stehen. Für das Herz-Neuro-Zentrum in Kreuzlingen verweist das Unternehmen auf eine Untersuchung des Schweizer Kantons Thurgau. Danach hätten alle Vorwürfe "als haltlos widerlegt" werden können.

Auf deutscher Seite zerbrechen sich Politiker und Kassenvertreter derweil den Kopf, wie in der Causa weiter verfahren werden soll. Im November hat Landesgesundheitsministerin Katrin Altpeter (SPD) die Kassen aufgefordert "kurzfristig" zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus noch Bestand haben.

Denn das Herzzentrum ist kein Plan-, sondern ein Vertragskrankenhaus - es darf neben Privat- auch Kassenpatienten behandeln, hat aber keinen Anspruch auf Investitionsfördermittel des Landes.

Pikant an der Angelegenheit: Das Zentrum hat sich im Oktober 2002 einen Versorgungsvertrag nach Paragraf 109 SGB V gerichtlich erstritten. Der Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes war zuvor vom Regierungspräsidium Freiburg abgelehnt worden.

Seit November prüfen die Kassen und werden nach Angaben von Walter Scheller, Leiter der Landesvertretung des Ersatzkassenverbands vdek, noch "drei bis vier Wochen" brauchen.

Patientenbeschwerden liegen den Kassen nicht vor

Nach Schellers Angaben habe sich "kein Versicherter beschwert über die Behandlung" im Herzzentrum, bis dato liege kein Anhaltspunkt vor, dass mit der medizinischen Qualität etwas nicht gestimmt hat. "Wir prüfen alles durch", sagte Scheller.

Selbst eine "Begehung" der Konstanzer Klinik hat stattgefunden. Die Klinikbetreiber "begrüßen" nach eigenen Angaben die "sorgfältige Abklärung durch die Krankenkassen". Selbst wenn Mängel entdeckt würden, müssten die Kassen dem Betreiber Gelegenheit einräumen, den Mangel abzustellen, erläuterte Scheller.

Als im Januar Berichte über eine mutmaßliche "Kündigungswelle" kolportiert wurden, hofften manche Akteure im Stillen, dass den Verantwortlichen im Herzzentrum die Puste ausgeht - man müsse halt nur lang genug warten.

Gefragt von der "Ärzte Zeitung", berichtet die Pressestelle von insgesamt sechs Kündigungen per Ende Dezember 2013, darunter zwei Oberärzte und vier Assistenzärzte - eine Ärztin habe inzwischen ihre Kündigung zurückgezogen.

Nach Darstellung des Betreibers liegt die Fluktuationsrate "im langjährigen Durchschnitt". Wie viele vakante Stellen die Klinik neu besetzen konnte, teilte der Betreiber auf Anfrage nicht mit. Man sei zudem in "fortgeschrittenen Bewerbungsgesprächen".

Ein "leistungsfähiger Dienstbetrieb" sei gewährleistet, heißt es. Aktuell hat die Klinik auf ihrer Webseite drei Stellen für Assistenzärzte ausgeschrieben. Die Mitarbeiterzahl insgesamt wird mit 360 angegeben.

Klinikumsvertreter haben zwar mehrfach die rufschädigende Wirkung der Diskussionen um das Zentrum beklagt, bei den Patientenzahlen habe die Berichterstattung der letzten Monate aber "bislang noch keine erkennbaren Auswirkungen", heißt es auf Anfrage. Auch die Erlössituation habe sich nicht nennenswert verändert.

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