Wachstum

Ein schweres Geschäft für Kliniken

Beim Rhein-Main-Zukunftskongress in Offenbach diskutierten Klinikchefs Strategien im Verdrängungswettbewerb.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:

OFFENBACH. Wachstum von Kliniken bedeutet an vielen Standorten Verdrängungswettbewerb. Wer bestehen will, muss sich spezialisieren und Ballast abwerfen. Zu den Gewinnern im Wettbewerb zählt sich das Universitätsklinikum Köln.

Von 2005 bis 2012 erzielte es mit seinen 1400 Betten bei den stationären Fällen ein Plus von 31 Prozent und lag damit über dem Bundesdurchschnitt der Uni-Kliniken mit 15 Prozent, wie Vorstandschef Professor Edgar Schömig beim Rhein-Main-Zukunftskongress in Offenbach sagte.

Dabei sei dieser Kliniktyp durch komplexe Führungsstrukturen - für Forschung und Lehre das Dekanat, für die Krankenversorgung der Vorstand - gekennzeichnet. Weitere Herausforderungen seien der Investitionsstau und das hohe Innovationstempo in der Medizin.

Sein Haus profitiere von einem Einzugsgebiet mit rund sechs Millionen Einwohnern, stehe aber mit 22 Krankenhäusern in Köln und konkurrierenden Unikliniken der Umgebung im Wettbewerb.

Erfogsfaktor Strategie

Schlüssel der erfolgreichen Unternehmensführung ist laut Schömig ein vor mehreren Jahren etablierter Strategieprozess mit regelmäßigen Strategiekonferenzen.

Daraus resultiert die Portfoliosteuerung auf Tumor und Abwehr, Herz-Kreislauf, Metabolismus sowie ZNS. Zudem hat das Klinikum über 300 Kooperationsverträge mit Einrichtungen und Ärzten im Rheinland abgeschlossen.

Das defizitäre kommunale Klinikum Darmstadt wird nach Einschätzung von Geschäftsführer Clemens Maurer in fünf bis zehn Jahren "nicht mehr allein bestehen können", die Zukunft liege auf jeden Fall im Verbund, "auch über Südhessen hinaus", eventuell in einer kommunalen Krankenhaus-Holding Hessen.

Das Klinikum, ein Haus der Maximalversorgung mit rund 1000 Betten, befinde sich in einer Sandwich-Lage: im Norden Frankfurt und Offenbach, im Süden Heidelberg und Mannheim.

Konsolidierung nach innen, strategische Neuausrichtung - welche Leistungen anbieten, welche nicht? - und der Neubau reichen Maurer zufolge zur Zukunftssicherung nicht aus.

Die Lage in einer ländlichen Region habe zur Folge, dass nur wenige mögliche Partnerhäuser zur Auswahl stehen. Führen die Gespräche - etwa mit dem Kreisklinikum Darmstadt-Dieburg - zu einem Verbund, so müssten darin klare Strukturen geschaffen werden, "sonst bringt es nichts".

Kliniken Essen-Mitte setzen auf Spezialisierung

Aus Sicht von Horst Defren, Geschäftsführer der evangelischen Kliniken Essen-Mitte, genießen Universitätsklinika und kommunale Häuser den Vorteil, dass ihre Träger für die Defizite aufkommen. "Geld kriege ich von meiner Kirche keins", sagte er.

In einem Umfeld mit 14 Krankenhäusern für rund 630.000 Einwohner sei es den Kliniken Essen-Mitte immerhin gelungen, im ersten Halbjahr 2013 stärker zu wachsen als das Uni-Klinikum Essen.

Er glaube nicht an Kooperation und auch nicht an Verbundbildung, sondern setze auf Spezialisierung. Dazu gehören die Klinik für Naturheilkunde mit 50 Betten, die einen "attraktiven Deckungsbeitrag" liefere, und die Hauptfachabteilung Palliativmedizin.

Aufgegeben wurde die Geburtshilfe mit nur noch etwa 500 Geburten jährlich. Dabei habe es nicht einmal einen Aufstand gegeben, weil die Schließung nicht mit Wirtschaftlichkeit begründet worden sei, sondern mit Qualität.

Im Fall Frauenheilkunde positioniere sich das Haus nun mit gynäkologischer Onkologie und Brustzentrum.

Verdrängungswettbewerb ist evident

Seine Strategie bezeichnete Defren als "einfache Botschaften": "Topqualität, Qualität bringt Wachstum, Qualität führt über Menge mittelfristig zur Wirtschaftlichkeit." Ganz ohne finanziellen Beistand vom Träger funktioniert die Spezialisierung allerdings nicht. "Die Kirche lässt anfängliche Defizite zu."

"Wenn wir über Wachstum reden, reden wir über Verdrängungswettbewerb", stellte Dr. Michael Philippi, Vorstandschef der Sana-Kliniken AG, fest. Die Nachfrage werde in Deutschland nicht einfach weiter steigen.

Nordrhein-Westfalen etwa habe so viele Einwohner wie die Niederlande und viermal so viele Krankenhäuser. Ganz wenige Regionen würden noch Fallzahlzuwächse erleben, und zwar die Ballungsräume und Kernregionen. In weiten Teilen Ostdeutschlands würden die Fallzahlen dagegen sinken.

Wachstum durch Zukauf ist laut Philippi machbar, "aber Übernahme geht nicht mal eben so". Bei einem strategisch unsinnigen Zukauf könne man sich schnell eine blutige Nase holen. Immer mehr Medizin und immer mehr Technik anzubieten sei ökonomisch nicht machbar.

Chancen für organisches Wachstum sehe die Sana-Kliniken AG in der Notfallambulanz: "Wir werden als Kliniken viel mehr Notfallversorgung machen als heute." Konzepte für die Zukunft sind Philippi zufolge die sektorenübergreifende Versorgung.

Zudem werde der Konzern regionale Strukturen nutzen und Angebote konzentrieren. Einig waren sich die Krankenhaus-Führungskräfte in der Einschätzung, dass nicht alle rund 2000 Klinikstandorte in Deutschland überdauern werden. Das gilt nach Ansicht des Kölner Klinikchefs Schömig auch für Universitätsklinika.

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