Krankenhausreform

Ein Mega-Projekt mit vielen Haken

Die Bund-Länder-Eckpunkte der Krankenhausreform belegen: Die Beharrungskräfte des föderalen Systems in der Gesundheitspolitik zehren am Reformwillen. Die Länder führen den Bund am Nasenring durch die Arena.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Leere Krankenbetten. Mit der Krankenhausreform sollen auch Kapazitäten angepasst werden.

Leere Krankenbetten. Mit der Krankenhausreform sollen auch Kapazitäten angepasst werden.

© upixa / fotolia

BERLIN. Die Eckpunkte für eine Krankenhausreform sind noch lange kein Gesetzentwurf. Sie zeigen aber schon eine Richtung auf. Eines ist damit klar. Ein gesundheitspolitisches Megaprojekt der großen Koalition wird dieser Eingriff nicht.

Was die großen Linien der Politik in den Eckpunkten angeht, werfen sie mehr Fragen auf, als sie beantworten.

Dafür steht nicht nur das Pflegestellenförderprogramm, für das 660 Millionen Euro für drei Jahre ab 2016 fließen sollen und das 6000 Pflegestellen an den Patientenbetten schaffen soll. Das sind rechnerisch aber nur drei Kräfte je Krankenhaus.

Würden die Krankenhauskapazitäten tatsächlich angepasst und mit den niedergelassenen Ärzten besser verzahnt, könnten solche Programme mehr Wirkung entfalten. Genau da aber hat die geplante Reform einen blinden Fleck.

Die Reform droht, ein Verlustgeschäft zu werden

Die Länder führen den Bund am Nasenring durch die Arena. Sie müssen auch weiterhin ihrer Pflicht nicht nachkommen, ausreichend in die Krankenhäuser zu investieren.

Wörtlich heißt es in den Eckpunkten: "Die Länder verpflichten sich, mindestens den Durchschnitt der Höhe der in den Haushaltsplänen der Jahre 2012 bis 2014 ausgewiesenen Mittel für die Krankenhausfinanzierung beizubehalten." Dieser Durchschnitt führt zu einem Defizit von rund drei Milliarden Euro im Jahr, sind sich alle Akteure einig.

Wenig Dissens besteht auch in der Einschätzung, dass die Krankenhäuser versuchen, diese Finanzlöcher aus den DRG-Erlösen zu stopfen, die eigentlich nur die laufenden Betriebskosten decken können. Stichwort: Mengenausweitung.

Die Rechnung ist einfach. Bis 2018 wollen Bund und Länder rund vier Milliarden Euro in den stationären Sektor stecken. Im gleichen Zeitraum wächst das Investitionsdefizit um ein Vielfaches. Die Reform droht zum Verlustgeschäft zu werden.

Immerhin: Erstmals verlässt die Gesundheitspolitik der großen Koalition ihre bisherige Linie. Die lautete: Gemacht wird, was im Koalitionsvertrag steht. Das soll jetzt anders werden.

Fonds ist nicht in Plänen vorgesehen

Der von Bund und Ländern gespeiste Fonds zur Finanzierung von Bettenabbau, der Konzentration von über die Grund- und Regelversorgung hinausgehenden Abteilungen sowie der Umwidmung von Krankenhäusern in Gesundheitszentren und Pflegeeinrichtungen steht nicht im Politikalgorithmus von Schwarz-Rot.

Trotzdem soll er nun in das von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigte Gesetz finden. Der Erfolg des Fonds steht in den Sternen. Es wird lange dauern, bis das erste Krankenhaus auf der Basis der nun vorliegenden Pläne geschlossen werden wird.

Die angekündigten Sanktionen für schlechte Qualität müssen keinen Chefarzt und keinen kaufmännischen Direktor schrecken. Ein Jahr soll Zeit bleiben, um Mängel abzustellen. Sektoren übergreifende Bedarfsplanung? Fehlanzeige! Milliarden Euro an Steuer- und Versichertengeld drohen zu verpuffen.

Über dem gesamten Vorhaben schwebt die Qualitätsorientierung. In den Eckpunkten gibt es bislang vergleichsweise wenig beachtete Regelungen, die große Wirkung zeitigen könnten.

Dazu zählen zum Beispiel die Neuauflage der Mindestmengen als Steuerungsinstrument, die Neuinterpretation des Zentrenbegriffs, die verbindliche Einführung von OP-Checklisten und der ebenfalls verbindliche Aufbau von Transplantations- und Implantateregistern.

Aber: Offenbar müssen sogar Selbstverständlichkeiten geregelt werden. Vorgesehen ist, von den Krankenhäusern die Einhaltung der Qualitätsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss auch tatsächlich einzufordern.

Der GBA soll ins Blaue hinein arbeiten

Zusätzlich soll der GBA ein föderales Dilemma auflösen helfen. Mehr als zwei Jahre, so sieht es der Zeitplan der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vor, soll sich der GBA Zeit nehmen, um erste Qualitätsindikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität von Krankenhäusern zu entwickeln.

Diese Indikatoren brauchen die Länder offenbar, um mit Rechtssicherheit Krankenhausplanung betreiben zu können, sprich die mächtigen Landräte und Bürgermeister von Abteilungsschließungen oder Umwidmungen zu überzeugen.

Nur: Die Arbeit des GBA könnte für die Katz sein. Denn die Länder "können" die Indikatoren zur Grundlage ihrer Krankenhausplanung machen. Sie müssen aber nicht. Der Bund kann sie nicht zwingen. So bleibt alles beim Alten.

Ausgespart bleibt auch eine an der Wirklichkeit orientierte Bedarfsplanung. Die ist unter anderem deshalb überfällig, um die teure und überflüssige Konkurrenz der Krankenhäuser mit den niedergelassenen Ärzten zu kanalisieren und sinnvolle Netze zwischen stationärer und ambulanter Versorgung zu knüpfen.

Für eine Bedarfsplanung, die nicht mehr von Bevölkerungsschlüsseln ausgeht, sondern von der regionalen Morbidität, scheint die Zeit noch nicht reif zu sein.

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