Rhein-Main

Klinikfusionen oder -schließung als Trend?

In der Krankenhauslandschaft der Rhein-Main-Region wird es zu strukturellen Änderungen kommen, prognostizieren Experten. Es gibt mehrere Optionen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

BAD SODEN. Im Rhein-Main-Gebiet schicken sich das Klinikum Frankfurt-Höchst und die Kliniken des Main-Taunus-Kreises an, zum nach eigenen Angaben größten Klinikbetreiber der Region zu werden.

Vorbehaltlich der Zustimmung des Frankfurter Stadtparlaments und des Kreistages des Main-Taunus-Kreises können dann zum Jahreswechsel die Kliniken Frankfurt Main Taunus an den Start gehen.

Diese Fusion zieht einen Schlussstrich unter die langjährige Diskussion, wie der unter strukturellen Defiziten leidende Maximalversorger in Frankfurt-Höchst zukunftsfähig gemacht werden kann.

Trotz allem wird es zu einem größeren Stellenabbau kommen. Ebenfalls eine Lösung gefunden wurde mit dem Zusammenschluss für die hoch verschuldeten, aber strukturell eigentlich gesunden Main-Taunus-Kliniken. Ist die Fusion der beiden Partner zu den kommunal getragenen Kliniken Frankfurt Main Taunus wegweisend für die Entwicklung der Kliniklandschaft in der Region?

Unter anderem dieser Frage widmete sich unter dem Motto "Zuviel des Guten in Rhein-Main? Wie viel ‚Krankenhaus' braucht die Region?" am Dienstag in Bad Soden die Frühjahrstagung der Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main.

Standortübergreifende Schwerpunktzentren

Für Dr. Tobias Kaltenbach, Geschäftsführer der Main-Taunus-Kliniken, war die Kooperation für sein Haus mit den Standorten Bad Soden und Hofheim der einzig realistische Ausweg aus der Krise. Denn durch die Fusion würden Risiken und Einflussrechte geteilt.

Bei einer Privatisierung hätte der kommunale Träger zwar kein wirtschaftliches Risiko zu tragen gehabt, hätte allerdings auch das Recht auf Mitsprache verloren. Auch hätten politische Risiken, wie öffentliche Widerstände gedroht.

So sei angesichts des Portfolios beider Klinikbetreiber, wie Kaltenbach betonte, die Schließung einzelner Abteilungen keine Option gewesen, da dies eher zu höheren Erlösverlusten denn zu Kosteneinsparungen geführt hätte.

Das medizinische Konzept jedoch musste geändert werden. Es würden jetzt zum Beispiel standortübergreifende Schwerpunktzentren gegründet. Die fusionierten Kliniken verfügten dann in der Region Rhein-Main unter anderem über die größte Geburtshilfe und Kinderklinik sowie über das größte Brustkrebszentrum.

Bei der Frage, ob Betten im Rhein-Main-Gebiet abgebaut, gar Standorte geschlossen oder Kompetenzen gebündelt werden sollten, herrschte kein Konsens unter den Referenten.

Aus seiner Sicht gebe es in der Region nicht so sehr das Problem der kleinen Häuser, verdeutlichte Dr. Boris Augurzky, am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit. Es gebe eher viele große Standorte mit wirtschaftlichen Problemen.

Wie Augurzky warnte, seien Kooperationen in einem Umfeld mit starkem Wettbewerb - wie er in Teilen der Region herrsche - zu instabil. Fusionen wie zwischen Höchst und Main-Taunus seien daher erforderlich. Außer in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft seien Kliniken am Markt als Ketten besser aufgestellt denn als Solisten.

Augurzky sorgte vor Kurzem für Aufsehen mit einer Modellrechnung des RWI, derzufolge 210 Krankenhäuser in Deutschland vom Netz genommen werden könnten, ohne die Krankenversorgung dadurch spürbar zu beeinträchtigen.

Private Klinikträger könnten Strukturwandel vorantreiben

Wie Professor Thomas Busse, Direktor des Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht an der Fachhochschule Frankfurt, erläuterte, setzt der Gesetzgeber zur "Marktbereinigung" auf Defizit-Schließungen von Kliniken, da aktuell kaum Chancen für - von Länderseite angestoßenen - Struktur-Schließungen bestünden.

Hintergrund ist, dass jeder Träger im Zuge seiner nach Artikel 12 Grundgesetz geschützten Berufsfreiheit weiter seine Dienste anbieten darf - allerdings dann ohne staatliche Förderung. Wie Busse prognostiziert, werden Defizit-Schließungen die Trägerstrukturen zugunsten privater Klinik-Konzerne verändern und die vorhandene Pluralität beschneiden.

Jochen Metzner, im Hessischen Sozialministerium Referatsleiter Krankenhausversorgung, sieht das geplante Strukturgesetz mit dem Strukturfonds zum Abbau von Überkapazitäten als Treiber bei der Gestaltung der Kliniklandschaft.

Nach Ansicht von Sana-Vorstand Thomas Lemke, der auf die Übernahme des defizitären städtischen Klinikums Offenbach vor zwei Jahren durch Sana verwies, könnten vor allem die privaten Träger den Strukturwandel sowie Sanierungen vorantreiben.

Dafür müsse aber in akquirierten kommunalen Häusern eine strikte Governance-Struktur geschaffen werden, die die Einhaltung zum Beispiel von Beschaffungsregeln kontrolliere.

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