Klinik-Abrechnung

Messen die Kassen mit zweierlei Maß?

Die KV Westfalen-Lippe ist vergrätzt, weil sie mutmaßt, Kassen würden ambulante Behandlungen in Kliniken laxer prüfen als bei niedergelassenen Ärzten. Kassenvertreter ziehen sich den Schuh nicht an und keilen zurück.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Black Box Krankenhaus? Die KV Westfalen-Lippe beklagt implausible Leistungsabrechnungen der Kliniken.

Black Box Krankenhaus? Die KV Westfalen-Lippe beklagt implausible Leistungsabrechnungen der Kliniken.

© K. Boysen/Fotolia.com

KÖLN. In Westfalen-Lippe schieben sich die KV (KVWL) und die Krankenkassen gegenseitig den Schwarzen Peter zu, wenn es um möglicherweise unberechtigte Behandlungen in Kliniken geht.

Der KVWL-Vorsitzende Dr. Wolfgang-Axel Dryden wirft den Kassen vor, bei den Krankenhäusern nachlässiger zu prüfen als bei den niedergelassenen Ärzten. Die Kassen halten das für unberechtigt.

Bei der Vertreterversammlung Ende Mai hatte Dryden eine Reihe von Beispielen benannt, bei denen Krankenhäuser unberechtigterweise ambulante Leistungen abrechnen, ohne dass die Kassen etwas dagegen tun würden.

Dirk Ruiss, Leiter des Ersatzkassenverbands vdek in Nordrhein-Westfalen, hält den Vorwurf der Untätigkeit für unberechtigt. Wenn der KVWL konkrete Verstöße bekannt seien, sollte sie die Kassen darüber informieren, sagt er der "Ärzte Zeitung". "Pauschale Vorwürfe gegen die Krankenkassen sind nicht zielführend."

Vdek spielt den Ball an die KV zurück

Eine generelle Ungleichbehandlung von Kliniken und niedergelassenen Ärzten bei Rückforderungen oder Regressen kann Ruiss nicht erkennen. In beiden Fällen würden die Kassen ihre gesetzlichen Aufträge erfüllen.

Die von Dryden monierte Tatsache, dass bei vielen Krankenhausfällen die ärztliche Einweisung fehlt, könnte nach Ansicht von Ruiss ein Beleg für Fehler beim vertragsärztlichen Notfalldienst sein.

Auch beim Vorwurf der möglicherweise missbräuchlichen Inanspruchnahme der Notfallambulanzen durch Patienten und implausible Leistungsabrechnungen durch die Ambulanzen spielt der vdek-Chef den Ball zurück an die KV.

Zum einen müsse geprüft werden, ob das ambulante Leistungsangebot und der Zugang zum Notdienst über die bundesweit einheitliche Telefonnummer den Patienten hinreichend bekannt seien, sagt er.

Zum anderen seien Röntgen- und Laboruntersuchungen sowie kleine Operationen in der Notfallversorgung durchaus nicht ungewöhnlich. Außerdem: "Für die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Leistungsabrechnung sind auch im Notdienst die KVen zuständig."

Das bestreitet der KVWL-Vorsitzende nicht. "Aber die Überprüfung der inhaltlichen Plausibilität ist Sache der Krankenkassen", betont Dryden. Bei unberechtigt abgerechneten Leistungen müssten die Kassen das Geld von den Kliniken zurückholen. "Bislang habe ich keine Informationen darüber, dass das passiert."

Immer wieder Beschwerden

Im November 2014 habe die KVWL die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen darüber informiert, dass sich Mitglieder immer wieder über Krankenhäuser beschweren, die von Patienten Einweisungen und Überweisungen für ambulante Behandlungen verlangen.

Die Kassen hätten die Kliniken in einem Schreiben zwar aufgefordert, diese Praxis zu unterlassen, berichtet er. Passiert sei aber nichts. "Wir sehen die Krankenkassen in der Pflicht, in die Prüfung zu gehen, wenn auf ihre Aufforderung hin nichts passiert."

Seine Vermutung: Die Kassen lassen den MDK nicht gern Fälle prüfen, bei denen es ein Risiko gibt, dass sich die Verfehlungen nicht nachweisen lassen. Denn in einem solchen Fall müssten sie der Klinik eine Aufwandsentschädigung von 300 Euro bezahlen.

Anders sehe das bei den Prüfungen im niedergelassenen Bereich aus. Bleiben sie ohne Ergebnis, sei der Fall für die Kassen erledigt. Der betroffene Arzt habe aber viel Ärger und Stress gehabt. "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen", kritisiert Dryden.

Auch diesen Schuh will sich Ruiss nicht anziehen. Die Kassen hielten sich an die gesetzlichen Vorgaben. "Die KV sucht sich die GKV als Sündenbock", sagt er.

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