Umstrittenes Vorhaben

Rhön plant Gesundheitscampus in Marburg

Der Rhön-Konzern plant einen Gesundheitscampus in Marburg, auf dem Patienten ambulant behandelt werden sollen. Die Reaktionen auf das Vorhaben sind allerdings zwiespältig.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:

MARBURG. Das zum Rhön-Konzern gehörende Marburger Universitätsklinikum plant ein großes Facharztzentrum auf dem Klinikgelände.

Nachdem Rhön noch im vorigen Jahr selbst in die ambulante Versorgung hatte einsteigen wollen, sucht der Konzern jetzt die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort. Am Freitag steht das Thema im Kreistag auf der Tagesordnung.

Vorgesehen ist ein dreigeschossiges Ambulanz- und Diagnostikzentrum in unmittelbarer Nähe des Großkrankenhauses auf den Lahnbergen, in dem eine zweistellige Zahl von Fachärzten in eigenen Praxen ambulante Patienten behandeln sollen. Rhön tritt dabei als Vermieter auf und stellt einen Teil der Infrastruktur.

"Wir versprechen uns davon, dass Patienten, die besser von niedergelassenen Haus- und Fachärzten als in teureren Krankenhausambulanzen behandelt werden, dort zeitnah einen Besuchstermin bekommen", sagt Klinik-Geschäftsführer Gunther Weiß.

Zugleich sollen die Hochschulambulanzen des Klinikums neu strukturiert und ausgebaut werden. Davon erhofft sich der Krankenhausbetreiber medizinische und wirtschaftliche Synergieeffekte.

Unabhängigkeit der Ärzte in Gefahr?

Die Linken im Kreis Marburg-Biedenkopf fürchten jedoch um die Unabhängigkeit der Ärzte. Sie haben eine Initiative gestartet, um der "zunehmenden Einflussnahme der Rhön-Klinikum AG auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Landkreis entgegenzuwirken".

In ihrem Antrag fordern die Linken eine Machbarkeitsstudie für die Einrichtung von mindestens zwei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Osten und im Westen Marburgs.

Diese sollten entweder von der öffentlichen Hand oder von unabhängigen Ärztegenossenschaften getragen werden. Dies hätte zudem den Vorteil, dass junge Ärzte ohne finanzielle Mittel für eine eigene Praxis auch im ländlichen Raum tätig werden könnten - bei familienfreundlichen Arbeitszeiten.

Dagegen verweist Landrätin Kirsten Fründt auf das große organisatorische und finanzielle Risiko, dass der Kreis mit der Einrichtung von MVZ eingehen würde. Zudem würden kreiseigene Versorgungszentren - etwa in Biedenkopf - von den niedergelassenen Ärzten und dem DRK-Krankenhaus vor Ort eher als Konkurrenz wahrgenommen.

In dem 13.000-Einwohner-Städtchen im Westen Marburgs sind zurzeit fünfeinhalb Hausarztsitze unbesetzt. Zudem gibt es viele ältere Ärzte.

Kritik an Rhön-Plänen

Doch hier gebe es bereits gute Initiativen seitens der Kassenärztlichen Vereinigung und des Krankenhauses, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, berichtet die Verwaltungschefin.

Der von Rhön geplante Gesundheitscampus sei in der Arbeitsgemeinschaft "Sicherstellung der ärztlichen Versorgung" vorgestellt und diskutiert worden. Dieses Modell halte sie für sinnvoll: "Das kann ich als Landrätin unterstützen", sagte Fründt.

Auch die Ärztegenossenschaft Prima, die 275 Ärzte aus dem Marburger Raum vertritt, hat nichts gegen die Rhön-Pläne.

Prima-Vorsitzender Hartmut Hesse sieht in dem Vorhaben keinen Eingriff in die ambulante Versorgung, weil der private Krankenhausbetreiber nur als Vermieter auftrete: "Davor muss keiner Angst haben", sagte er.

Das war im Frühjahr 2015 noch anders. Damals wurde die KlinikGeschäftsführung damit beauftragt, ein Konzept für neue Ambulanz-Strukturen umzusetzen - mit dem Ziel, die Arbeit der niedergelassenen Ärzte in der Region weitgehend zu übernehmen. Betrieben wurde das Vorhaben vor allem durch den Rhön-Aufsichtsratvorsitzenden Eugen Münch.

Nach einer Welle der Entrüstung - Kritik kam von privatisierungskritischen Bürgern, niedergelassenen Ärzten, der Landesärztekammer und vom heutigen Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies -nahm Rhön davon Abstand. Zudem versucht der private Krankenhausbetreiber vermehrt, mit den Ärzten vor Ort zu kooperieren.

Problembereich Notaufnahme

Die entscheidende Frage sei, ob die medizinische Versorgung funktioniert, sagt Prima-Geschäftsführer Hans-Joachim Conrad, der von 2001 bis 2007 kaufmännischer Direktor (nach der Privatisierung kaufmännischer Geschäftsführer) des Klinikums war.

Ob sich Ärzte auf dem geplanten Gesundheitscampus niederlassen, hängt nach seiner Einschätzung von den Bedingungen ab, die Rhön schafft.

Das Universitätsklinikum Marburg und Gießen wurde vor zehn Jahren privatisiert. Hintergrund der Rhön-Pläne ist die schwierige wirtschaftliche Situation am Marburger Universitätsklinikum, die auch damit zusammenhängt, dass vor allem in der Notaufnahme viele Patienten behandelt werden, die in einer Praxis besser aufgehoben wären.

Die Kosten für das geplante Ambulanz- und Diagnostikzentrum werden auf 40 Millionen Euro geschätzt.

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