Notaufnahmen

Bessere Koordination soll entlasten

Auch wenn die Politik versucht, gegenzusteuern, kommen doch immer mehr Patienten in die Notaufnahme. Lösungen könnten eine Verbesserung von Sektorenvernetzung und Patientensteuerung sein, da sind sich Experten einig.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Gesundheitspolitische Großbaustelle: Eingang zur Notaufnahme-Station im Klinikum in Braunschweig.

Gesundheitspolitische Großbaustelle: Eingang zur Notaufnahme-Station im Klinikum in Braunschweig.

© Hollemann / Dpa

MÜNCHEN. Deutsche Klinik-Notaufnahmen sind eine Großbaustelle, die Zahl der Patienten steigt stetig. Derzeit sind es jedes Jahr etwa 22 Millionen. Immer mehr davon sind keine "echten" Notfälle. "Ein aktuelles DGINA-Gutachten zeigt, 30 Prozent der Patienten hätten gut auch in einer Praxis behandelt werden können", so Professor Christoph Dodt jüngst beim 18. Münchner Klinikseminar. Dodt ist Chefarzt des Notfallzentrums im Stadtklinikum München in Bogenhausen und Präsident der DGINA.

Wie er berichtet, steigen auch in den Notaufnahmen des städtischen Klinikums München die Patientenzahlen. Zuletzt waren es 520.000. Davon kamen 100.000 über den Rettungsdienst an. Parallel arbeiten in München fünf Bereitschaftspraxen. Sie behandeln jährlich 140.000 Patienten.

Zentrale Anlaufstelle nötig

Der Trend zu mehr Patienten in Notaufnahmen bestehe fort. Eine Lösung sei vor allem in einer besseren Patientensteuerung zu sehen. Grundvoraussetzung: die bessere Vernetzung der Sektoren. Rettungsdienst, KV-Notdienst und Klinik-Notaufnahmen müssten koordiniert arbeiten. Für Patienten sei eine zentrale Anlaufstelle wichtig. Diejenigen, die nicht an die Klinik müssen, sollen von der Notaufnahme direkt in KV-Bereitschaftspraxen an der Klinik geleitet werden.

Konkret umgesetzt wurde das unter anderem an der regionalen Kliniken Holding RKH GmbH, zu der das Klinikum Ludwigsburg zählt. "Wir haben einen strukturierten Patientenstrom erreicht", berichtete Professor Oliver Hautmann, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Notfallmedizin in Ludwigsburg.

Dazu beigetragen hätten übersichtliche, räumliche Strukturen, beginnend mit getrennten Eingängen für gehende und liegende Patienten. Ein zeitnaher fachärztlicher "First View" helfe, Doppelarbeit zu vermeiden. Das Ziel sei, Patienten schnell in die Klinik oder an das allgemeinmedizinische MVZ an der Klinik weiterzuleiten. Hierbei seien klare Zeitvorgaben nützlich. Mehr als drei Stunden solle kein Patient in der Notaufnahme sein.

Parallel stimmten sich die Notaufnahmen der Kliniken im Unternehmen ab. So könnten Patienten bei Überlastung schnell an eine andere Notaufnahme weitergeleitet werden. Das zögen sechs bis sieben von zehn Patienten einer mehrstündigen Wartezeit vor. Eine Konkurrenzsituation des allgemeinmedizinischen MVZ zu ambulanten Praxen sah Hautmann nicht. Die Patienten würden dort unmittelbar behandelt und für weitere Behandlung wieder auf die reguläre ambulante Versorgung verwiesen.

Vor Ort gelängen Austausch und Vernetzung mit den niedergelassenen Ärzten gut.

Systematische Ersteinschätzung

Dodt lenkte den Blick zudem auf die Qualität der Diagnostik. Ob ein Notfall vorlag, könne ein Arzt immer nur im Nachhinein feststellen. Essenziell sei die zeitnahe, systematische Ersteinschätzung. "Das muss Standard sein in jeder Notaufnahme", stellte Dodt fest. Doch bislang verfügten in Deutschland nur 60 von 100 Notaufnahmen über ein solches System.

Am weitesten verbreitet: das Manchester Triage System und der Emergency Security Index (ESI). Beide benennen unter anderem eine Zeitvorgabe, bis wann ein erster Arztkontakt stattfinden muss. Dieser ist mit anspruchsvoller Diagnostik konfrontiert. Einer Auswertung für das Städtische Klinikum München zufolge hatten zwei Drittel der Patienten kein klares Leitsymptom, vom Notarzt vordiagnostiziert waren nur acht Prozent.

Akut lebensbedrohlich waren fünf Prozent der Fälle. Dodt forderte, die Notfallmedizin müsse im Gesundheitswesen mehr als bisher als Basis der Medizin anerkannt werden. Er lobte die Zuschläge für die Teilnahme an der Notfallversorgung, die das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) ermöglichte. Im Gemeinsamen Bundesausschuss werde nun eine Abstufung nach Versorgungsgrad erarbeitet. Unterschieden werden sollen demnach Basisnotfallversorgung, erweiterte und umfassende Notfallversorgung. Funktionieren könne sie jedoch nur mit Interdisziplinarität und Facharztstandards.

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