Medizintechnik-Branche

Kritik an EU-Regeln für Medizinprodukte

Die Medizintechnik-Branche zeigt sich unzufrieden mit den Rahmenbedingungen.

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DÜSSELDORF. Die Medizintechnik-Branche übt heftige Kritik an der Ende Oktober vom EU-Parlament verabschiedeten Medizinprodukte-Verordnung.

Berichte, die EU-Parlamentarier seien vor der Industrie eingeknickt, seien falsch, sagt Jan Wolter, Leiter des Fachverbands Medizintechnik im Verband der Hightech-Industrie - Spectaris. "Nur das Allerschlimmste wurde verhindert, von Entwarnung kann man bei Weitem nicht sprechen."

Ein Dorn im Auge ist Wolter der beabsichtigte Umgang mit Hochrisikoprodukten. Er kritisiert, dass die Einstufung nicht mehr nur für Produkte der Klasse III gelten soll, sondern auch für Klasse IIb.

Die Abläufe würden komplizierter, weil Hochrisikoprodukte künftig nur noch von speziellen Prüfstellen zertifiziert werden dürfen. "Die Unternehmen müssen zu verschiedenen Stellen rennen, weil sie nicht nur Hochrisiko-Produkte haben", sagt er. Das Verfahren ziehe sich zudem in die Länge.

Kein Verständnis hat der Spectaris-Vertreter dafür, dass für alle Hochrisiko-Produkte klinische Studien erforderlich werden sollen. Ein neurochirurgisches Testhäkchen sei ein solches Produkt, weil es am Gehirn eingesetzt werde.

"Wenn dafür eine klinische Studie erforderlich wird, merkt man, wie absurd das Verfahren ist."

"Investitionsstau in Kliniken ist Risiko für Patienten"

Auch die Absicht, künftig alle Vorkommnisse meldepflichtig zu machen und nicht nur die schwerwiegenden, findet Wolter unsinnig. Es bedeute großen Aufwand für die Unternehmen, die Behörden würden mit Meldungen überschüttet.

In der Flut würden die wirklich wichtigen Meldungen untergehen, warnt er. Insgesamt bewertet die Branche das Vorhaben des EU-Parlaments, über das es sich noch mit dem Europäischen Rat einigen muss, als Misserfolg.

Es bringe keine zusätzliche Sicherheit, die Patienten würden verlieren. "Der Investitionsstau in den Kliniken ist das eigentliche Risiko für Patienten."

Gefährlich für die Patienten sei nicht, dass sie mit neuen Produkten behandelt werden, sondern wenn Geräte 15 oder 20 Jahre alt sind.

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung zeigt sich Wolter etwas zufriedener als mit den Rahmenbedingungen. Spectaris schätzt, dass der Umsatz in diesem Jahr um knapp drei Prozent auf 22,9 Milliarden Euro zulegt. "Für 2014 gehen wir von ähnlichem Wachstum aus."

Wachstumsträger ist nach wie vor der Export. 2013 wird der Umsatz aber auch in Deutschland zulegen, allerdings nur leicht um 1,1 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro.

"Damit liegen wir lediglich auf dem Niveau von 2010", betont er. Die Medizintechnik-Unternehmen stellen weiter ein. Im laufenden Jahr legt die Zahl der Beschäftigten voraussichtlich um 3,8 Prozent auf rund 98.000 zu.

Marktüberwachung verbessern

"Medizinprodukte sind in Deutschland auf einem Top-Niveau", betont Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbandes Elektromedizinische Technik im Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI).

Bei ihrer Kritik an den Zulassungsverfahren und der Sicherheit vermischen die Krankenkassen zwei unterschiedliche Fragestellungen, glaubt er.

Die Marktüberwachung und Überprüfung der etablierten Zulassungsverfahren müsse tatsächlich verbessert werden. In diesem Bereich sei aber schon einiges passiert, es gebe gute Vorschläge.

"Was die Krankenkassen meinen, ist nicht die Sicherheit der Produkte, sondern sind Aussagen zum langfristigen medizinischen Nutzen der Produkte."

Bei dieser Fragestellung stehe Deutschland erst am Anfang. Klar ist für Bursig aber: "Was im Arzneimittel-Bereich gemacht wird, ist auf Medizinprodukte nicht übertragbar."

Klinische Studien, die über fünf Jahre laufen, passten nicht zu den Innovationszyklen in der Medizintechnik. Spectaris und ZVEI werden zur Nutzenbewertung von Medizinprodukten eigene Vorschläge machen, kündigt er an. (iss)

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