Ab 2016

Nutzenbewertung für Brustimplantate kommt

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Neuartige Brustimplantate werden künftig einer Nutzenbewertung unterzogen.

Neuartige Brustimplantate werden künftig einer Nutzenbewertung unterzogen.

© ZB / dpa

Für neue Medizinprodukte der höchsten Risikoklassen wird es ab 2016 eine frühe Nutzenbewertung geben - so will es das Versorgungsstärkungsgesetz. Der Gesetzgeber zieht damit auch die Konsequenzen aus dem Brustimplantate-Skandal.

Von Helmut Laschet

BERLIN. Ein wesentliches Novum des Versorgungsstärkungs-Gesetzes, das in dieser Woche abschließend im Bundestag beraten wird, ist die Einführung der frühen Nutzenbewertung auch für Medizinprodukte. Betroffen davon sind neuartige Produkte, die invasiv verwendet werden.

Von der Philosophie her entspricht die Nutzenbewertung der Medizinprodukte der Evaluation von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach dem AMNOG, das Verfahren und die Konstruktion weisen allerdings beträchtliche Unterschiede auf.

Anders als der Arzneimittelhersteller ist es nicht der Medizintechnik-Hersteller, der Normadressat des neuen Paragrafen 137h SGB V ist, sondern das Krankenhaus, das eine medizinische Leistung mit Hilfe einer neuen invasiven Technik erbringen will und dafür ein gesondertes Entgelt nach den Richtlinien für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) beantragt.

Nur Innovationen sind betroffen

Hohe Risikoklasse

Risikoklasse III: Herzkatheter, Herzklappen, Künstliche Gelenke, Koronarstents, resorbierbares chirurgisches Nahtmaterial, Brustimplantate

Risikoklasse IIb: Anästhesiegeräte, Beatmungsgeräte, Röntgengeräte, Blutbeutel, Defibrillatoren, Dialysegeräte, Kondome, Kontaktlinsen, Dentalimplantate

Nun wird das betreffende Krankenhaus verpflichtet, zeitgleich mit dem Antrag beim InEK den Gemeinsamen Bundesausschuss darüber zu informieren und ihm wissenschaftliche Erkenntnisse für eine Bewertung der Methode zu übermitteln.

In das Bewertungsverfahren werden dann weitere Krankenhäuser, die die Methode anwenden wollen, sowie die betroffenen Medizinproduktehersteller einbezogen.

Weist die Methode kein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept auf und bedarf es keiner weiteren Prüfung durch den GBA, so teilt dieser dies dem Krankenhaus mit und informiert darüber auf seiner Internetseite.

Das könnte bei der Anwendung von Herzschrittmachern, Hüftprothesen und Defibrillatoren gelten, wenn es sich um etablierte medizinische Verfahren handelt, deren Nutzen bekannt ist.

Die Folge wird sein, dass es dafür dann kein NUB-Entgelt gibt und die Kosten mit den geltenden Fallpauschalen abgedeckt sind.

Wird das Verfahren als neuartig angesehen, startet ein zeitlich eng getaktetes Bewertungsverfahren: Binnen zwei Wochen nach Eingang der Information durch das anfragende Krankenhaus veröffentlicht der GBA im Internet einen Aufruf an andere betroffene Krankenhäuser und die betroffenen Medizinproduktehersteller zur Vorlage wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass das erste Krankenhaus gemeinsam mit dem Medizinproduktehersteller die vorhandene Evidenz im Wesentlichen zusammengestellt hat, sodass andere Krankenhäuser keine weiteren Unterlagen nachreichen müssen. Die Kooperation zwischen der ersten Klinik und dem Technikhersteller ist verpflichtend.

Für die Übermittlung ergänzender Informationen soll der GBA im Regelfall einen Monat Zeit einräumen. Innerhalb der drei folgenden Monate mit der GBA - regelhaft unter Einbeziehung des IQWiG - eine Bewertungsentscheidung über den zu erwartenden Nutzen, Schaden oder Potenzial der neuen Methode treffen. Dieser Beschluss muss einschließlich der tragenden Gründe publiziert werden.

Das Nähere zum Verfahren muss der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Verfahrensordnung regeln.

Nur für invasive Verfahren

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Einbezogen in die frühe Nutzenbewertung werden Produkte mit hoher Risikoklasse, die ein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufweisen. Das gilt für die Risikoklassen IIb und III, wenn sie einen besonders invasiven Charakter aufweisen.

Das heißt, dass nicht alle unter der Klasse IIb subsumierten Produkte eine Nutzenbewertung in Frage kommt.

Für die Definition des neuen theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts wird von der Begriffsbestimmung des Bundessozialgerichts ausgegangen: Dabei muss sich die neue Methode, ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet von anderen bereits etablierten systematischen Herangehendweise wesentlich unterscheiden. Schrittinnovationen unterliegen danach nicht der Nutzenbewertung.

Da es sich um eine grundlegende Weichenstellung handelt, wird das Bundesgesundheitsministerium ermächtigt, im Benehmen mit dem Bundesforschungsministerium in einer Rechtsverordnung bis zum 31. Dezember 2015 das Nähere zu konkretisieren. An diese Vorgaben ist der Bundesausschuss dann gebunden.

Kommt der Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass mit den vorliegenden Informationen der Nutzen als hinreichend belegt anzusehen ist, kann die Leistung weiter zu Lasten der Krankenkassen im Krankenhaus erbracht werden.

Der Bundesausschuss kann weitere Anforderung an die Qualität mit einer Richtlinie nach Paragraf 137 flankieren, zum Beispiel eine Dokumentation im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen.

Die Wirkung einer solchen positiven Nutzenbewertung ist: Wenn die neue Methode mit geltenden DRG nicht hinreichend vergütet wird, hat das Krankenhaus Anspruch auf eine gesonderte Vergütung.

Evaluation zahlt der Hersteller

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Kommt der Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass der Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist, aber die Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, dann muss der Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten über eine Erprobung nach Paragraf 137e entscheiden. Die Kosten für die Evaluation trägt der betroffene Medizinproduktehersteller.

Krankenhäuser, die die Leistung erbringen, müssen an der Erprobung teilnehmen. Diese Krankenhäuser bekommen die Leistung vergütet, und möglich ist dabei auch ein NUB-Entgelt, wenn das InEK feststellt, dass Fallpauschalen nicht kostendeckend sind.

Der Vorteil der Bewertung nach den Vorgaben von Paragraf 137e ist, dass die Leistung mit der neuen Medizintechnik auch ambulant erbracht werden kann.

Es gilt dafür also ausdrücklich nicht der sonst für die ambulante Versorgung maßgebliche Erlaubnisvorbehalt des Gemeinsamen Bundesausschusses. Damit ist sichergestellt, dass das Versorgungssystem für medizintechnische Innovationen offen bleibt.

Lesen Sie dazu auch: Nutzenbewertung von Medizinprodukten: Nationale Zulassung durch die Hintertür?

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