Teststreifen vom Discounter

DDG fordert erneut Rückruf

Vertreibt Aldi Süd unzuverlässige Blutzuckerteststreifen? Die Deutsche Diabetes Gesellschaft sagt ja. Das BfArM sagt, das wisse man noch nicht. Das Risikobewertungsverfahren läuft.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:

BERLIN. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) wirft dem Medizintechnikhersteller Medisana AG und der Handelskette Aldi Süd vor, durch den Verkauf mutmaßlich unzuverlässiger Blutzuckerteststreifen die Patientensicherheit zu gefährden.

DDG-Präsident Professor Baptist Gallwitz kritisierte am Montag, dass weder die Medisana AG noch Aldi Süd Anstrengungen unternommen hätten, "die fehlerhaften Teststreifen zurückzurufen", heißt es in einer Mitteilung der Fachgesellschaft.

Zitat Gallwitz: "Durch diese Unterlassung geht Aldi Süd das Risiko ein, Patientenleben zu gefährden."

Zum Hintergrund: Anfang des Jahres hatte das Ulmer Institut für Diabetes-Technologie-Forschung (IDT) auf eigene Initiative eine Teststreifencharge für das Blutzuckermessgerät Curamed® von Medisana überprüft. Das Selbsttest-System wird von Aldi Süd vertrieben. Laut DDG fiel die Prüfung "mangelhaft" aus.

"Die Produkte hatten Werte angegeben, die im Durchschnitt um 16 Prozent überhöht waren", berichtet die Fachgesellschaft.

Im Mai habe Medisana dann eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Berlin erwirkt, wonach die namentliche Nennung von Hersteller oder Vertriebsweg im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Prüfergebnisse während des Frühjahrskongresses der DDG untersagt wurde.

Dagegen legte das IDT Widerspruch ein. Mit Erfolg: Mitte Juni gab das Landgericht Berlin den Angaben zufolge grünes Licht, Ross und Reiter zu nennen.

Rückruf gefordert

Bereits Anfang Juni hatte der Bayerische Rundfunk über die Angelegenheit berichtet. In dem Report wird aus einer Stellungnahme von Aldi-Süd zitiert.

Nach eigenen Worten hatte der Discounter damals noch "keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die in Rede stehenden Geräte nicht ordnungsgemäß funktionieren oder dass sich gar Gesundheitsgefahren für die Benutzer ergeben".

DDG-Geschäftsführer Dr. Dietrich Garlich bestreitet dies. Garlich: "Wir haben Aldi-Süd am 13. Mai per Mail unsere Pressemitteilung über die schlechten Testergebnisse zukommen lassen und uns für Rückfragen zur Verfügung gestellt."

Damals forderte die DDG erstmals ausdrücklich einen umgehenden Rückruf der unsicheren Teststreifen. Diese Forderung werde jetzt noch einmal bekräftigt, versicherte eine Sprecherin der DDG auf Anfrage.

Gleichzeitig bekundet die Diabetes Gesellschaft "Erstaunen" darüber, dass das Bundesinstitut für Arzneimitel und Medizinprodukte (BfArM) sich bisher "ebenfalls nicht zu den Messergebnissen geäußert" habe.

Risikobewertungsverfahren eingeleitet

Den impliziten Vorwurf der Untätigkeit will die Aufsichtsbehörde freilich nicht auf sich sitzen lassen. Auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" teilte BfArM-Sprecher Maik Pommer mit, Ende März, unmittelbar nach Information durch das IDT, sei ein Risikobewertungsverfahren eingeleitet worden.

Medisana habe innerhalb der vorgesehenen sechswöchigen Stellungnahmefrist eine zweite Prüfung beim IDT beauftragt. Der Umfang beider bisherigen Teststreifen-Studien sei jedoch "zu gering", daher "eine abschließende Bewertung derzeit noch nicht möglich".

Die Behörde erwarte jetzt "zeitnah die Zusendung einer weiteren Stellungnahme des Herstellers, basierend auf einer nunmehr repräsentativen Probenanzahl". Sobald diese Ergebnisse vorliegen, werde das BfArM "kurzfristig eine weitere Bewertung des Falles vornehmen und darüber informieren".

Die "Ärzte Zeitung" hat auch Medisana und Aldi Süd gebeten, ihre Sicht der Dinge darzustellen, doch es liegen noch keine Antworten vor.

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