Medizinprodukte

Kritik an Nutzenbewertung

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften übt massive Kritik an den Neuregelungen zur Nutzenbewertung bei bestimmten Medizinprodukten. Sie sieht die wissenschaftliche Arbeit in Gefahr.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Endoprothesen zählen zu den Medizinprodukten, für die Firmen bei Innovationen für die Nutzenbewertung Studien vorlegen müssen.

Endoprothesen zählen zu den Medizinprodukten, für die Firmen bei Innovationen für die Nutzenbewertung Studien vorlegen müssen.

© julianemartens / fotolia.com

BERLIN / DÜSSELDORF. Eine Bewertung von Medizinprodukten ist in Deutschland aufgrund handwerklicher Fehler im Gesetzentwurf kaum möglich, so ein Ergebnis eines Arbeitstreffens der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften vor Kurzem in Berlin.

In diesem Zusammenhang weist die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) auch auf die anwachsende Bürokratie seitens der entscheidenden Institutionen und das große ehrenamtliche Engagement der Fachgesellschaften hin.

Diese Aufgabe werde sich durch EU-Regularien und vermehrte Prüfungen von Medizinprodukten noch ausweiten müssen, betont die AWMF.

Zweifel an geforderten Studien

Die Prüfung von Medizinprodukten nehme Fahrt auf, jedoch seien die Kriterien noch unklar, bemängelt die AWMF. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fordert vergleichende klinische Studien (RCT). Diese scheinen aber, so die Fachgesellschaften, nicht immer der geeignete Weg zu sein, um einen Nutzen oder auch ein Potenzial anzuzeigen.

"Ob neue Medizinprodukte sicher und wirksam sind, lässt sich in der Chirurgie oft nur anhand von Daten prüfen, die wir kontinuierlich in Registern sammeln. Das gilt vor allem für langfristige Beobachtung und sogenannte Sprunginnovationen, zu denen es kein Vergleichsprodukt gibt", erläutert Professor Ernst Klar von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie aus Rostock.

Darauf deute auch die EU-Direktive zu Medizinprodukten hin. Diese spreche sich eher für weiche Empfehlungen für Medizinproduktetests aus, anders als die harten Vorgaben für Arzneimittel.

Hinzu komme, dass der GBA Studien fordere, obwohl das Medizinprodukt in Krankenhäusern bereits verfügbar sei, sofern der GBA es nicht ausdrücklich verboten habe – der Verbotsvorbehalt. Die Erprobungsregelung des GBA nach Paragraf 137e SGB V bliebe damit bislang folgenlos. Hier bedarf es, wie die AWMF betont, dringend gesetzlicher Nachbesserungen.

Firmen kapitulieren vor den Kosten

Entsprechend bescheiden falle die Bilanz bei der Potenzialbewertung nicht-medikamentöser Verfahren aus: Seit 2013 fasste der GBA elf Beschlüsse zu sechs Erprobungsanträgen. Bisher brachte nach Aussage der AWMF kein einziger Hersteller eine Studie auf den Weg, um den Nutzen zu belegen.

Mehrere Verfahren seien ausgesetzt oder eingestellt worden, was zeige, dass die Firmen die Kosten für zu hoch oder die Gewinnaussichten für zu gering bewerteten.

"Damit erweist sich das Verfahren in großen Teilen als nicht praktikabel und wenig aussichtsreich, sinnstiftende Ergebnisse für die medizinische Wissenschaft zu liefern", erläutert die Ärztin Dr. Monika Nothacker, Referentin des AWMF-Präsidiums aus Berlin.

Die AMWF selbst richte jährlich Workshops für ihre Mitgliedsfachgesellschaften aus, um den Stellungnahmeprozess kontinuierlich zu verbessern.

Mehr zum Thema

Geschäftszahlen 2023

Medizintechnikkonzern B. Braun steigert Umsatz leicht

Schwere Herzinsuffizienz

Herzpflaster baut Herzmuskulatur auf

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“