Medica-Preview

Licht lässt Taube besser hören

Einem Forscher aus Göttingen ist es gelungen, Hör-Nervenzellen mit Licht zu stimulieren. Damit sollen etwa Cochlea-Implantate bei Hörgeschädigten leistungsstärker werden.

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Cochlea-Implantate sollen durch eine neue Technologie noch leistungsstärker werden.

Cochlea-Implantate sollen durch eine neue Technologie noch leistungsstärker werden.

© Birgit Reichert/dpa

HAMBURG. Besser hören durch Lichtimpulse. Dr. Tobias Moser, Professor für Auditorische Neurobiologie an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), hat für seine Erforschung der "Optogenetik" den Gottfried Wilhelm Leibnitz-Preis erhalten. Moser ist es gelungen, Hör-Nervenzellen mit Licht zu stimulieren.

Auf der Medica-Preview in Hamburg stellte Moser seine Ergebnisse vor. Er sei einer der weltweit führenden Forscher auf dem noch jungen Gebiet der Optogenetik, hieß es.

Lichtempflindliches Eiweiß

Das Prinzip: "Mit Hilfe eines eingeschleusten lichtempfindlichen Eiweißes können wir Nervenzellen mit Licht dazu bringen, einen Impuls zu senden." Moser will die Optogenetik nutzen, um zum Beispiel Cochlea-Implantate leistungsstärker zu machen und den Patienten einen differenzierteren Höreindruck zu verschaffen.

Normalerweise werden für ein Cochlea-Implantat zwölf bis 14 Kontakte in die Hörschnecke eingesetzt, die dann elektrisch gereizt werden, berichtet Moser. Allerdings arbeiten diese Kontakte eher grob. Denn sie reizen immer viele Nervenfasern auf einmal.

Moser demonstrierte mit einer Tonaufnahme, was die Implantatsträger tatsächlich hören, wenn jemand spricht: ein für normal Hörende bis zur Unverständlichkeit verzerrtes und verrauschtes Sprachbild. Damit ist das Problem formuliert.

Moser hat nun lichtempfindliche Einweißkörper, die aus Algen gewonnen werden (so genannten Kanalrhodopsinen), mit Hilfe eines Virus als Genfähre in die Hör-Nervenzellen einschleust und damit "quasi einen Lichtschalter in die Zellen eingebaut", wie Moser in Hamburg sagte.

Die Zellen können nun punktgenau durch blaues Licht von Mikro-LED in der Hörschnecke aktiviert werden, statt durch elektrische Reize ganzer Nervenbündel. "Die Mikro-LED sind so klein, dass 120 von ihnen auf eine Fingerkuppe passen", sagte Moser. Durch den nun viel feineren und exakteren Lichtstimulus wird der Höreindruck um das Fünf- bis Zehnfache genauer.

Neue Generation von Implantaten

"Das fokussierte Licht kann die Frequenzauflösung verbessern und differenziertes Hören ermöglichen", sagte Moser. Dieser Befund verspreche immense Verbesserungen in einer neu zu entwickelnden Generation von Innenohrimplantaten, und es eröffne sich ein ganzer Kosmos neuer Möglichkeiten in den Biowissenschaften, hieß es.

Auch wenn manches noch abgeklärt werden müsse, wie zum Beispiel die Frage, ob das lichtempfindliche Fremdprotein in der Zelle einmal zum Problem werden könnte, sei "in den kommenden fünf Jahren mit klinischen Tests zu rechnen", so Moser. Seine Forschung sei vor allem aus öffentlichen Mitteln gefördert worden, berichtet der Wissenschaftler.

Eine Patentierung der Göttinger Idee des optogenetischen Implantats ist in den USA 2011 gescheitert. Zuvor hatte eine andere Forschergruppe in den USA das Patent für eine sehr viel umfangreichere Idee bekommen, "was wissenschaftlich aber sehr kontrovers diskutiert wird", wie Moser sagt.

Derzeit kooperiert Moser mit einem deutschen und einem österreichischen Hersteller und der Universität Freiburg. (cben)

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