Jeder dritte Schwerhörige

Kein Hörgerät, weil Kosten zu hoch

Am 3. März ist der Welttag des Hörens. Rund 1800 Ärzte und Hörgeräteakustiker in Deutschland beteiligen sich mit Aktionen. Viele Betroffene mit Hörminderung hadern noch mit Hörgeräten.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die WHO fokussiert 2016 am Welttag des Hörens den kindlichen Hörverlust.

Die WHO fokussiert 2016 am Welttag des Hörens den kindlichen Hörverlust.

© WHO

NEU-ISENBURG. Der Erhalt der Hörfähigkeit scheint bei vielen Menschen in Deutschland keine besonders hohe Priorität zu genießen. So ergab eine anlässlich des Welttags des Hörens am 3. März vom Bundesverband der Hörgeräte-Industrie (BVHI) in Auftrag gegebene, online-repräsentative Erhebung des Instituts TNS Infratest, dass 38 Prozent der Befragten Menschen im Umfeld haben, die nicht gut hören, aber nicht von sich aus aktiv werden.

Die Studie liegt der "Ärzte Zeitung" vor. Bei der Altersgruppe 50plus waren es 45 Prozent. Befragt wurden laut BVHI 1000 Personen auf Basis einer zufällig gezogenen Online-Stichprobe.

Festbetragshöhe weit unterschätzt

Befragt nach den Gründen, die Betroffene äußern, warum sie nichts gegen die Hörminderung unternehmen, führten 37 Prozent ins Feld, dass ein Hörgerät zu teuer sei, 36 Prozent glaubten nicht an eine Hörverbesserung beim Einsatz entsprechender Gerätelösungen. Anscheinend wissen viele Hörgeminderte nicht, dass zum 1. November 2013 die Festbeträge erheblich gestiegen sind.

So erhalten schwerhörige Kassenpatienten seitdem einen Festbetrag in Höhe von 785 statt vorher 421 Euro. Im Durchschnitt gehen die Befragten davon aus, dass sich der GKV-Festbetrag auf 266 Euro beläuft.

Für den BVHI - der Verband vertritt die Interessen aller 13 im deutschen Markt aktiven Hörgerätehersteller - ergibt sich hieraus ein hoher Aufklärungsbedarf. "Betroffene erhalten heute bei ihrem Hörgeräteakustiker bestmögliche Hörgerätetechnik in modernsten Geräten ohne Zuzahlung", wie BVHI-Vorstandsvorsitzender Dr. Stefan Zimmer betont.

Eine Gelegenheit zur Aufklärung haben Ärzte und Hörgeräteakustiker am Welttag des Hörens, den der BVHI unter das Motto "Hören. Der Sinn deines Lebens." gestellt hat. Rund 1800 Partner, die meisten davon Hörgeräteakustiker und HNO-Ärzte, haben sich laut BVHI im Vorfeld als Aktionspartner registriert und bieten Aktionen rund ums Thema Gehör an.

Startschuss 2007 in Peking

Dazu zählen zum Beispiel kostenlose Hörtests oder umfassende Beratungsangebote zur Prävention und Behandlung einer Hörminderung. Der BVHI unterstützt alle registrierten Aktionspartner nach eigenen Angaben mit kostenfreien Kampagnenmaterialien.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den "International Ear Care Day" - auch als "World Hearing Day" gelabelt - im Jahre 2007 auf der Ersten Internationalen Konferenz zur Prävention und Rehabilitation von Hörminderungen in Peking aus der Taufe gehoben.

Der Welttag steht jeweils unter einem spezifischen Motto, um die verschiedenen Altersgruppen anzusprechen. Das Motto der diesjährigen WHO-Kampagne lautet "Childhood Hearing Loss" und fokussiert die Jüngsten der Gesellschaft.

Die WHO geht davon aus, dass derzeit rund 1,1 Milliarden Menschen zwischen 12 und 35 den Erhalt der vollumfänglichen Hörfähigkeit gefährden - unter anderem durch den regelmäßigen Musikgenuss in zu großer Lautstärke. Beeinträchtigungen bei der Hörfähigkeit von Jugendlichen in Deutschland hat die Fördergemeinschaft Gutes Hören (FGH) im Rahmen ihrer Hörtour festgestellt.

 Die vier FGH-Hörmobile absolvierten im vergangenen Jahr 386 Einsätze in 321 deutschen Städten. Dabei ließen 25.862 Interessierte aller Altersgruppen ihr Gehör testen. Schon unter den Jugendlichen bis 20 Jahre wiesen demnach elf Prozent der Testteilnehmer leichte bis erhebliche Hörminderungen auf.

In Deutschland lebten im vergangenen Jahr 12,1 Prozent der Bevölkerung mit einer verminderten Hörleistung - 36,9 Prozent waren dabei älter als 74 und 2,6 Prozent jünger als 14 Jahre. Aber nur 34,9 Prozent der Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen trugen Hörgeräte (2012: 34 Prozent). 75 Prozent der Hörgeräteinhaber waren dabei binaural versorgt, 2012 hatte dieser Anteil noch 66 Prozent betragen.

Das geht aus einer nach eigener Aussage bevölkerungsrepräsentativen Umfrage unter mehr als 10.000 Deutschen, darunter 1304 Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen, im Auftrag der European Hearing Instrument Manufacturers Association (EHIMA) hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Wie BVHI-Chef Zimmer auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" erläutert, ist Deutschland der weltweit zweitgrößte Markt für Hörgeräte. Während 2014 in den USA erstmals mehr als drei Millionen Hörgeräte verkauft worden seien, seien es in Deutschland erstmals mehr als eine Million gewesen. Dieser Wert sei 2015 gehalten worden. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des deutschen Hörgerätemarktes betrage über einen Zehnjahreszeitraum etwa vier Prozent.

Mehr zum Thema

Schwangere sensibilisieren

Plötzlich nachlassende Kindsbewegungen immer ernst nehmen!

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Der papierene Organspendeausweis soll bald der Vergangenheit angehören. Denn noch im März geht das Online-Organspende-Register an den Start.

© Alexander Raths / Stock.adobe.com

Online-Organspende-Register startet

Wie Kollegen die Organspende-Beratung in den Praxisalltag integrieren