Fachgleiches MVZ

Bricht jetzt die Zeit für Praxisketten an?

Das vorigen Donnerstag vom Bundestag verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz ermöglicht die Einrichtung fachgleicher Medizinischer Versorgungszentren. Damit werden nun erstmals auch MVZ möglich, in denen nur ein Arzt tätig ist.

Von Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:

BONN. Um fachgleiche MVZ einzuführen, streicht der Gesetzgeber in Paragraf 95 Absatz 1 Satz 2 SGB V lediglich das Wort "fachübergreifend". MVZ sind dann nach der gesetzlichen Definition ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind.

So weit, so gut. Zukünftig kann also ein Vertragsarzt zum Beispiel eine GmbH gründen und die Zulassung dieser GmbH als MVZ beantragen, wenn er über eine entsprechende Arztstelle verfügt. In nicht gesperrten Planungsbereichen genügt hierfür der Abschluss eines Arbeitsvertrages zwischen einem Arzt der "freien" Disziplin und dem MVZ.

In gesperrten Planungsbereichen kann man sich mit einem bereits niedergelassenen Arzt, der die Freiberuflichkeit aufgeben möchte, darauf verständigen, dass dieser zugunsten des "Mono-MVZ" auf seine Zulassung verzichtet, um sodann im MVZ als Angestellter zu arbeiten.

Ein Arzt reicht künftig

Diese Gestaltungen setzen aber voraus, dass es für die MVZ-Gründung künftig ausreicht, dass nur ein Arzt im MVZ tätig ist. Als die MVZ 2004 eingeführt wurden, hatte jeder die fachübergreifende Versorgung durch mehrere Ärzte unter einem Dach vor Augen.

Es würde deshalb nicht verwundern, wenn der gedankliche Schritt von der "modernen Poliklinik" hin zu einer GmbH mit einem angestellten Arzt nicht von allen begrüßt oder nachvollzogen wird.

Die Gegner des "Mono-MVZ" könnten also fordern, dass mehrere Ärzte und eventuell auch mehrere fachgleiche Arztstellen vorhanden sein müssen. Gibt es hierfür rechtliche Gründe?

Bereits 2011 hat das Bundessozialgericht zum fachübergreifenden MVZ entschieden, dass für jedes der Fachgebiete mindestens eine halbe Arztstelle zur Verfügung stehen müsse.

Nachdem das Kriterium "fachübergreifend" nun entfällt, ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das "Mono-MVZ" mindestens eine halbe Arztstelle - mehr aber auch nicht - benötigt.

Rein rechtlich wäre zwar in besonderen Konstellationen auch eine 1/4-Arztstelle denkbar, das ist für die Praxis aber zunächst nicht von wesentlicher Bedeutung.

Aus der bisherigen Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht ableiten, ob in einem "Mono-MVZ" künftig mindestens zwei Ärzte arbeiten müssen. Man muss sich für die Beantwortung dieser Frage deswegen am Gesetzeswortlaut orientieren. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass dieser für die Tätigkeit mehrerer Ärzte spricht.

Die gesetzliche Definition verwendet nämlich den Plural, wenn sie von "Ärzten", die in MVZ tätig sind, spricht. Eine solche Argumentation wäre aber falsch: Paragraf 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V definiert nämlich Medizinische Versorgungszentren als Einrichtungen, in denen Ärzte tätig sind.

"Mono-MVZ" in Reinkultur

Die Begriffe "Versorgungszenten", "Einrichtung" und "Ärzte" werden insgesamt im Plural verwandt. Dass zwei MVZ zwei Einrichtungen sind, die über mindestens zwei Ärzte verfügen müssen, stellt niemand in Frage. Bezogen auf ein MVZ ergibt sich aus dem Wortlaut jedoch, dass die Tätigkeit eines Arztes genügt.

Der Gesetzgeber schafft somit das "Mono-MVZ" in Reinkultur: Es genügt eine halbe Arztstelle, auf der ein Arzt arbeitet, um künftig als MVZ zugelassen zu werden - mit allen weiteren Gestaltungsmöglichkeiten, die daraus entstehen.

Dies stellt eine weitere Liberalisierung des Vertragsarztrechts dar, wie sie 2004 zur Einführung der MVZ wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Man mag dies politisch gut oder schlecht finden. Da in einer Demokratie der Wille des Gesetzgebers respektiert werden muss, bleibt zu hoffen, dass den Vertragsärzten bei der Gründung von "Mono-MVZ" keine Steine in den Weg gelegt werden. Der Gesetzeswortlaut ist klar: Eine Fachrichtung, eine halbe Arztstelle und ein Arzt genügen.

Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizinrecht und Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Busse & Miessen, Bonn.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Hämatologe gibt Tipps

Krebspatienten impfen: Das gilt es zu beachten

Lesetipps
Eine pulmonale Beteiligung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) kann sich mit Stridor, Husten, Dyspnoe und Auswurf manifestieren. Sie zeigt in der Lungenfunktionsprüfung meist ein obstruktives Muster.

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Wenn der entzündete Darm auf die Lunge geht

Klinisch ist die Herausforderung bei der IgA-Nephropathie ihr variabler Verlauf. In den meisten Fällen macht sie keine großen Probleme. Bei einem Teil der Patienten verläuft sie chronisch aktiv, und einige wenige erleiden katastrophale Verläufe, die anderen, schweren Glomerulonephritiden nicht nachstehen.

© reineg / stock.adobe.com

Glomerulonephitiden

IgA-Nephropathie: Das Ziel ist die Null