Ein Netz für psychisch Kranke

Klinik soll die Ultima ratio sein

Neue Wege bei psychischen Erkrankungen: Mit IV-Verträgen versuchen Krankenkassen, ein ambulantes Netz für die Betroffenen zu spannen. Krankenhäuser sollen so nicht mehr die Lückenbüßer bei der Behandlung sein.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Psychisch krank? Ein ambulantes Netz soll helfen.

Psychisch krank? Ein ambulantes Netz soll helfen.

© Ella / fotolia.com

KÖLN. Die Suche nach umfassenden Behandlungskonzepten für Menschen mit psychischen Erkrankungen könnte der integrierten Versorgung zu neuem Schwung verhelfen. Davon geht Marius Greuèl aus, Leiter des Studiengangs Gesundheitsökonomie an der Verwaltungsakademie Berlin.

"Die integrierte Versorgung kann bei diesen Patienten sehr viel leisten", sagte Greuèl bei der offiziellen Eröffnung des "Netzwerks psychische Gesundheit Köln".

Gerade bei psychischen Erkrankungen sei die umfassende Organisation der Versorgung unter Einbeziehung vieler Partner notwendig. "Das erfordert sehr komplexe und anspruchsvolle Verträge."

Mit der ambulanten Vernetzung könne es gelingen, die Zahl der Klinikeinweisungen zu reduzieren, die stationäre Verweildauer zu verkürzen und Versorgungsbrüche zu vermeiden.

Das will auch die Techniker Krankenkasse (TK) mit dem von ihr initiierten "Netzwerk psychische Gesundheit". Es ist inzwischen in elf Bundesländern aktiv, 5500 Patienten sind eingeschrieben.

Sie werden in ihrem Lebensumfeld behandelt und unterstützt. Dafür arbeiten niedergelassene Ärzte, Sozialarbeiter, Fachpfleger und Therapeuten zusammen.

In Köln ist das Netz im Juli 2012 an den Start gegangen, zurzeit sind 140 Patienten eingeschrieben. Es beteiligen sich außer der TK die KKH, die AOK Rheinland/Hamburg, die pronova BKK und der Kassendienstleister GWQ Service Plus.

Vertragspartner ist die Gesellschaft für psychische Gesundheit in Nordrhein-Westfalen (GpG NRW), die Versorgung vor Ort koordiniert der Kölner Verein für Rehabilitation.

Ein komplexer Vertrag

"Wir verstehen das Netzwerk als komplementäres Angebot", sagte Ulrich Adler, Leiter regionales Vertragswesen bei der TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen. "Wir wollen einen kontinuierlichen Behandlungsverlauf im ambulanten Bereich."

Die stationären Aufenthalte sollen auf das notwendige Maß zurückgeführt werden, betonte Nils Greve, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Geschäftsführer der GpG NRW. "Die Krankenhäuser sollen aufhören, Lückenbüßer für fehlende ambulante Strukturen zu sein."

Kern des Netzes seien Leistungen, die es in der Regelversorgung nicht gibt. Dazu zählen ein umfangreiches Eingangs-Assessment, die Koordination der Behandlung durch eine Bezugsperson für den Patienten, aufsuchende Hilfen und die Krisenintervention.

In Krisensituationen steht Patienten als Alternative zur stationären Versorgung eine Wohnung zur Verfügung. Dieses Angebot sei für sie eine große Hilfe gewesen, berichtete die Frau, die die Wohnung als erste genutzt hat.

Dort wurde sie betreut, kam zur Ruhe und konnte nach drei Tagen Auszeit wieder nach Hause gehen. "Ich war froh, dass ich Leute mit Verständnis hatte, mit denen ich absprechen konnte, welche Möglichkeiten es für mich gibt", sagte die Patientin.

Deutlich häufiger als die Krisenwohnung wird die Telefonbereitschaft in Anspruch genommen, sagte Klaus Jansen-Kayser, Teamleiter im Kölner Netzwerk. "Wir sind für die Patienten 24 Stunden am Tag über das ganze Jahr zu erreichen."

Jansen-Kayser möchte die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten ausbauen, insbesondere den Psychiatern. Bislang beteiligen sich in Köln fünf Fachärzte am Netzwerk.

"Wenn die Zusammenarbeit gut läuft, kann man noch viel mehr Patienten als bisher ambulant versorgen", betonte er. Die Vergütung der Niedergelassenen für die zusätzlichen Leistungen sei angemessen. "Der Vertrag ist aber sehr komplex, davor scheuen viele zurück."

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