Korruptionsgesetz

Kein Aus für AWB und Ärztenetze

Bei einer Podiumsdiskussion in Stuttgart wurde überraschend deutlich: Ärzteschaft und Industrie können dem geplanten Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen eigentlich nur positive Seiten abgewinnen.

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NEU-ISENBURG. Wenn sich Ärzte und Pharmaindustrie mit der Politik und den Staatsanwaltschaften über die Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen austauschen, ergeben sich heiße Diskussionen, könnte man meinen.

Unerwartet einmütig ging es dagegen bei einem hochkarätig besetzten Podium der Friedrich Ebert Stiftung in Stuttgart zu.

Die mehr als 170 Teilnehmer nahmen überrascht zur Kenntnis, dass zwischen den Diskutanten große Einigkeit bestand, "schwarzen Schafen" im Gesundheitswesen nicht nur den Garaus machen zu müssen, sondern dabei auch die Hilfe des Gesetzgebers zu begrüßen.

Gesetz kommt zum Jahresende

Christian Lange (SPD), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, erläuterte in seinem Impulsvortrag, dass Korruption im Gesundheitswesen den Wettbewerb beeinträchtige und zu steigenden Kosten in der Versorgung führe.

Korruptives Verhalten belaste nicht nur das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidung, sondern verschlechtere schlimmstenfalls sogar deren Gesundheit.

Der im Februar vorgelegte Referentenentwurf des Antikorruptionsgesetzes konzentriere sich nicht nur auf die Ärzte, betonte der Jurist. Vielmehr zielten die Regelungen auf einen Großteil aller Berufsgruppen im Gesundheitswesen ab.

Er rief in Erinnerung, dass das Gesetz durch bislang fehlende gesetzliche Regelungen motiviert sei, wie sie der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung von 2012 benannt hatte.

Demnach sind Vertragsärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen. Korruptives Verhalten von Heilberuflern kann daher strafrechtlich nicht geahndet werden.

Hier sei gesetzgeberischer Handlungsbedarf offenbart worden. Schließlich gelte es, die große ehrliche Mehrheit im Gesundheitswesen und die Patienten vor den Praktiken weniger Unlauterer zu schützen.

Lange kündigte an, das Gesetz werde Ende dieses Jahres in Kraft treten.

Moderator Karl-Dieter Möller, TV-Journalist und ehemaliger ARD-Rechtsexperte, gab sich im Gegenzug skeptisch, ob überhaupt ein Regelungsbedarf bestehe.

Tatsächlich konnte die Münchener Oberstaatsanwältin Renate Wimmer keine Zahlen zur Korruption im Gesundheitswesen nennen. Gleichwohl begrüßte sie die Gesetzesinitiative.

Sie befürwortet auch, dass die Regelungen nicht nur die Heilberufe, sondern auch die Gesundheitsfachberufe betreffen sollen.

Montgomery: Schutz der Ehrlichen

Auch Bundesärztekammer-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery sprach sich für ein klares Gesetz aus, "um endlich aus der Grauzone des Verdachtes herauszukommen".

Die Ärzteschaft habe bei einigen Formulierungen des Gesetzentwurfes nicht zuletzt deshalb aktiv mitgearbeitet, weil sie selbst gar keine Ermittlungskompetenz und kaum Sanktionsmöglichkeiten habe.

Das "nasse Pappschwert" des Kammerrechts und der nicht vorhandene "Kammerknast" machten aus seiner Sicht eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften notwendig, denn "über 99,9 Prozent der Ärztinnen und Ärzte" arbeiteten anständig und hätten es satt, ständig für die Unehrlichen den Kopf hinzuhalten.

Strafrecht dürfe hier nicht als Bedrohung verstanden werden, sondern als Schutzmaßnahme für die Ehrlichen.

Der Bundesärztekammer-Präsident fand den Gesetzentwurf "im Großen und Ganzen gelungen". So sei beispielsweise "der Kugelschreiber des Pharmareferenzen für den Arzt" nicht im Entferntesten ein Korruptions-Straftatbestand.

Und auch die Wissenstranslation aus der Wissenschaft in die Praxis werde nicht infrage gestellt, denn eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ärzteschaft bleibe unverzichtbar, sei schon heute klar geregelt und völlig transparent.

Staatssekretär Lange betonte, dass das Gesetz "nichts unter Strafe stellt, was nicht ohnehin verboten ist".

Am Beispiel von Anwendungsbeobachtungen führte er aus, dass die bloße Teilnahme an einer vergüteten Anwendungsbeobachtung den Straftatbestand der Korruption nicht erfülle, weil die Verknüpfung von Vorteil und heilberuflicher Gegenleistung fehle.

Das wäre jedoch ganz anders und durch das kommende Gesetz sanktioniert, wenn hinter der Anwendungsbeobachtung eine korruptive Absprache stünde und die angebliche Aufwandsentschädigung in Wirklichkeit Bestechungsgeld für die Verordnung bestimmter Präparate wäre.

Entwarnung für BAG?

Unkritisch sah Lange auch den Zusammenschluss von Ärzten zu Berufsausübungsgemeinschaften und zwar selbst dann, wenn er für die Beteiligten wirtschaftlich von Vorteil wäre.

Derartige Zusammenschlüsse dürften auch allein aus wirtschaftlichen Erwägungen erfolgen, das sei weder unzulässig noch verwerflich, zumal die Patienten von solchen Zusammenschlüssen profitieren könnten.

Dagegen seien BAG berufsrechtlich dann unzulässig und würden künftig unter Strafe gestellt, wenn sie nur zum Schein geschlossen werden und die Kooperation tatsächlich nur dazu diene, das berufsrechtliche Verbot einer Patientenzuweisung gegen Entgelt zu umgehen.

Auch Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller, begrüßte die Gesetzesinitiative ausdrücklich, denn sie biete der Pharmaindustrie endlich Schutz vor Verleumdung und Generalverdacht.

Sie betonte, dass es bei der Regelung natürlich nicht nur um den Einsatz von Arzneimitteln gehen dürfe, sondern beispielsweise auch um die Anschaffung von Geräten und Verbrauchsmaterial.

Am Ende der zweistündigen Expertendiskussion stand neben dem weitgehend fehlenden Dissens die Erkenntnis, dass ein Antikorruptionsgesetz, in enger Abstimmung mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen entwickelt, willkommen ist.

Mit dem Gesetz müsse dann aber besonnen umgegangen werden: "Wild gewordene Staatsanwälte wären für uns furchtbar", warnte Ärztechef Montgomery und bot der Justiz einmal mehr Zusammenarbeit an, um eine vernünftige Umsetzung zu gewährleisten. (eb)

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